1896 -
Berlin
: Oehmigke
- Autor: Reinecke, Hermann, Berthold, Ludwig
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Regionen (OPAC): Berlin
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seine kreideweiße Nase ein. Mit den Angen hat man ebenfalls viel
zu thun, weil die Lider alle Augenblicke zusammenfrieren. Man
tappt dann in die erste beste Hausthür hinein und bittet die Leute
auf ein paar Augenblicke um ein Plätzchen am Ofen, indem man
dann hinterher eine aufgetaute Thräne des Dankes dafür vergießt.
Die russischen Öfen sind in ihrer Art das Vollkommenste,
was Menschen erdacht haben. Sie sind aus Kacheln gebaut, und
der Feuerzug windet sich in ihnen so vielfach auf und ab, daß die
Hitze oft einen Weg von 30 m Länge und mehr darin machen muß, ehe
sie in den Schornstein entlassen wird. Die russischen Ofenheizer sind
sehr geschickt in allen bei der Heizart notwendigen Verrichtungen.
In jedem großen Hause giebt es einen oder ein paar Ofenheizer,
die den ganzen Tag nichts weiter zu thun haben, als die Öfen zu
versehen. Damit die Herren des Morgens beim Kaffee das Zimmer
warm finden, müssen jene alten dienenden Geister ihre Arbeit bereits
in der Nacht beginnen. Man kann sich denken, welche wichtige Rolle der
Ofen auch in den Häusern der einfacheren Russen spielt. Er ist hier
eine zu einer außerordentlichen Höhe gediehene Maschine, die zugleich
als Koch-, Heiz- und Backapparat dient. Rundumher laufen Bänke
zum Genießen der Wärme, und es sind viele Vertiefungen und
Löcher in ihm angebracht, um tausenderlei Dinge in ihm zu trocknen,
und nasse Strümpfe und Kleider hängen immer daran herum.
Nicht wenig zum Zusammenhalten der Zimmerwürme tragen
die doppelten Fenster bei, die in Petersburg, wie in Rußland über-
haupt, üblich sind. Kaum tritt im Oktober der erste starke Frost
ein, so rüstet man das ganze Haus zu, verpicht alle kleinsten Öff-
nungen und setzt überall doppelte Fenster ein, deren Fugen mit
Papier verklebt werden. Fast jeder Bauer hat Doppelfenster. Auch
die Thüren bleiben nicht hinter den Fenstern zurück. Mari findet
nicht nur doppelte, sondern auch zuweilen selbst drei- und vierfache.
Das unmäßige Branntweintrinken vergrößert die Gefahr der
Kälte sehr; denn Trunkenheit und Schlaf sind beim Frost das
Allergefährlichste. Da nun jeder plötzlich eintretende Frost eine
Menge Trunkener und Schlafender auf den Straßen findet, so kann
man sich denken, daß der Opfer nicht wenige sind.
Die höchsten Kältegrade fallen gewöhnlich nur bei heiterem,
ruhigem Wetter ein, und das prachtvolle Petersburg hat daher in