1852 -
Leipzig
: Klinkhardt
- Autor: Leo, Gottlob Eduard
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Sachsen
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evn Schutz suchten, ist bei der versteckten Luge dieses Schlosses nicht
zu verkennen.
Wer Lust zu steigen hat, versäume nicht, die Stadt S ch ei-
le n b e r g am Schellenberge, und das über der Stadt gelegene,
weithin sichtbare Schloß Augustusburg zu besuchen. Manche
Sehenswürdigkeit im Schlosse, namentlich aber die weite Aussicht
vom Schloßberge, belohnen reichlich für die Mühe des steilen
Wegs.
Wo jetzt das Schloß Auquftusburg steht, stand im Mittelalter die Feste
Schellenberg, ein von Otto I, erbautes Schloß, das später zum Raubschlosse
herabsank. Vater August ließ die ziemlich verfallene Feste im Jahre 1567 nie«
verreißen und das noch jetzt stehende Schloß erbauen, ras nach den, Gründer
Augustusburg genannt wurde. Auch verweilte Vater August gern auf diesem
Schlosse und erfreute sich von demselben aus der Aussicht über viele Städte
und Dörfer seines schönen Landes.
Das Schloß ist großartig angelegt. Es besteht aus 4 Flügeln.
Sie werden das Linden-, Sommer-, Hasen- und Küchenhaus ge-
nannt. Im Hasenhause fand man sonst an den Wänden Hasen
in den verschiedensten menschlichen Verrichtungen dargestellt. Man
sah Haftn als Kaufleute, Maler, Buchdrucker, und den Erfinder
und Vollender dieser Hasenwelt, den Maler selbst, im 3. Gestock,
von eigner Hand gemalt, als Hasen über ein Kamin hervorgucken.
Die Schloßkirche, welche im Schlosse befindlich ist, ist sehr
freundlich, und das Altargemälde von Cranach stellt den Kurfürsten
August und seine ganze Familie dar, wie sie am Kreuze des Er-
lösers beten. In der Mitte des Stallhoss ist ein in den Felsen
gehauener Brunnen von 298 Ellen Tiefe. Das Wasser des Brun-
nen enthält jedoch Salpetertheile. Schießt man ein Pistol in den
Brunnen ab, so giebt es einen donnerähnlichcn Schall. Um das
Schloß herum giebt es schöne Spaziergänge durch den um dasselbe
liegenden Wald. Hier finden wir auch die alte sehenswerthe Linde,
welche 19 Fuß im Umfange hat, und deren Aeste sich 350 Fuß
in der Runde ausbreiten.
Blicken wir von Augustusburg nach Nordosten, so haben wir
zunächst die Stadt Oederan vor uns, die uns dann freilich ganz
nahe zu sein scheint, aber doch noch 2 Stunden entfernt ist. Die
Stadt hat ein recht freundliches Aeußere, und in derselben herrscht
viel Gewerbthätigkeit. Besonders beschäftigt das Fabrikwesen viele
Hände. Es werden hier wollene und halbwollene Waaren von
vorzüglicher Beschaffenheit gefertigt. Namentlich sind die Oederaner
Tuche sehr gesucht. Das berühmte Friedrich'sche Fabrikhaus erhielt
bereits im Jahre 1822 für seine hochfeinen Tuche die große goldene
Medaille von der Staatsregierung. — In Oederan starb am 12.
August 1850 der sehr wohlhabende Besitzer des eben genannten
Fabrikhauses, Ritter Adolph Gottlob Fiedler. Welche wohl-
wollende Gesinnung ihn beseelte, offenbarte sich auch in seiner
letztwilligen Verfügung. Er bewilligte in derselben 4000 Thlr. der