1841 -
Leipzig
: Fleischer
- Autor: Gründler, Friedrich Ernst
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
123
wobei Er jedoch stets sorgt, daß Niemand über Ver-
mögen beschwert wird.
10. Das offene Glas.
Gotthold hatte ein Glas voll kräftigen Rosenwas-
sers aus Unvorsichtigkeit offen stehen und den Pfropfen
daneben liegen lassen. Als er nach etlicher Zeit dieses
Versehen bemerkte, fand er, daß die beste Kraft des
Wassers verraucht und der Geruch sehr verduftet war.
Er war darüber betrübt, mußte jedoch bald weiter den-
ken, wie diesem Glase weltliche und für Alles of-
fene Herzen nur zu ähnlich seien. Was hilft es,
dachte er, wenn ein solches Herz in der Kirche mildem
lieblichen Rosenwafser der Andacht angefüllt wird, wenn
hernach das Verschließen vergessen, ich meine, das Wort
Gottes nicht in feinem, guten Herzen bewahret wird?
Was hilft alle Andacht und Rührung, wenn nicht das
Herz durch weiteres Nachdenken und herzliches Gebet
verschlossen und von der Welt unbefleckt behalten wird!
11. Die finstre Nacht.
Als der nachdenkende Gotthold in einer Nacht, in
welcher kein Mondschein war, erwachte, und der dichten
Finsterniß wegen die Hand vor den Augen, wie man
sagt, nicht sehen konnte, dachte er: Eö ist wahr, die
Finsterniß wird von bösen Menschen viel gemißbraucht
und zu Sünden und Schanden benutzt, aber ich finde
in ihr Gottes verborgene Güte und seine wenig er-
kannte Wohlthat. Die finstre Nacht dient zur Abküh-
lung und Erfrischung der Gewächse, welche sie mit dem
fruchtbaren Thau erquickt; sie stärkt die Augen des
Menschen, indem sie ihnen Zeit giebt, die Sehkraft wie-
der herzustellen; sie dient auch dem Verstände, welcher
am Tage nicht Ruhe genug findet, Alles ordentlich zu
bedenken, die Nacht aber schlägt ihm gleichsam einen
Mantel um deu Kopf, und schützt ihn vor der Zer-
streuung durch die Sinne, daß er von den sichtbaren
Dingen abgeführt, bei sich selbst sein, und wichtigen