1907 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Kornrumpf, Ernst
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
- Inhalt: Zeit: Neuzeit
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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von Heer und Bürgertum, sagten sie sich los. Sie betrachteten die Arbeit-
geber nur als ihre Ausbeuter und Feinde, zeigten sich ihnen gegenüber oft
widerspenstig, stellten in Massen die Arbeit ein, um höhere Löhne zu er-
zwingen und erhoben immer größere Ansprüche. So war dem jungen
Deutschen Reiche im Innern ein gefährlicher Feind erstanden, der seitdem mit
jedem Jahre der Zahl seiner Anhänger nach gewachsen ist: die Sozialdemokratie.
bb) Die Mordversuche auf Kaiser Wilhelm. Die fortgesetzten
Verhetzungen gegen die bestehende Staatsordnung blieben leider nicht ohne böse
Folgen. Trotz der Liebe des größten Teiles des Volkes zu Kaiser Wilhelm
geriet dieser durch zwei ruchlose Mordversuche, die auf ihn von Anhängern
der sozialdemokratischen Partei unternommen wurden, in die größte Lebens-
gefahr. Als er an einem Mainachmittag des Jahres 1878 mit seiner Tochter,
der Großherzogin Luise von Baden, „Unter den Linden" in Berlin spazieren
fuhr, feuerte ein verkommener Klempnergeselle (Hödel) zwei Revolverkugeln
nach ihm ab, ohne zum Glück zu treffen. Drei Wochen später, in den ersten
Junitagen, wurde ein zweiter Mordanfall, ebenfalls bei einer Spazierfahrt
„Unter den Linden", versucht, indem ein verblendeter Gelehrter (vr. Nobiling)
fast an derselben Stelle eine doppelte Ladung Schrotkörner aus den vorbei-
fahrenden Kaiser abschoß. Diesmal wurde leider der greise, 81jährige Monarch
durch 30 Schrotkörner an Gesicht, Schultern und Annen verwundet, zum
Glück jedoch nicht lebensgefährlich, da sein Helm und dichter Mantel ihn ge-
schützt hatten. Doch sank er aus ein monatelanges, schmerzliches Kranken-
lager, währenddessen sein Sohn, der Kronprinz Friedrich Wilhelm, als Stell-
vertreter die Regierung führte. Ein Schrei der Entrüstung ging durch das
königstreue deutsche Volk, das tagelang um das Leben seines Heldenkaisers
zitterte, bis es der Kunst der Ärzte gelang, es zu retten. Der erste Mörder
büßte seine unselige Tat mit dem Leben, der zweite machte einen Selbst-
mordversuch, an dessen Folgen er im Gefängnisse starb.
ee) Die Kaiserliche Botschaft an den Reichstag. Nach diesen
Mordversuchen brach sich mehr und mehr die Überzeugung Bahn, daß man
den umstürzlerischen Bestrebungen der Sozialdemokratie auf gesetzlichem Wege
Einhalt tun müsse. Fürst Bismarck legte dem Reichstage ein „Gesetz gegen
die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" vor, und dieser
genehmigte es im Oktober 1878. Durch dieses Sozialistengesetz, wie es
kurz genannt wurde, wurde die sozialistische Partei schwer unterdrückt; denn ihre
Vereine wurden aufgelöst, ihre Zeitungen (Presse) verboten, ihre ganze äußere
Organisation zerstört, ihre gefährlichsten Führer aus ihrem bisherigen Wir-
kungskreise ausgewiesen. Im geheimen freilich befestigte die Partei ihre Ein-
richtungen nur noch mehr und nahm immer weiter zu, so daß das Sozialisten-
gesetz 1890 wieder aufgehoben worden ist.