1916 -
Bühl (Baden)
: Konkordia-Verl.
- Autor: Mattes, Friedrich Wilhelm, Hüffner, Jakob
- Hrsg.: Jungmann, Ludwig, Kipphan, K., Eisinger, K., Reinfurth, Thomas
- Auflagennummer (WdK): 15
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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auf dem Wege zur Wüste ihre Feuchtigkeit. Zin Winter weheir die Winde aus der Sahara
nach außen, weil die Luft durch die Sommerwinde sich verdichtet hat. Regenbringende Meer-
winde werden durch die Saharawinde abgewehrt.
Die weite Entfernung vom Meere bringt große Wärmeunterschiede mit sich. Auf heiße
Tage folgen kalte Nächte. Drirch die wechselnde Erwärmung und Erkaltung wird das Gestein
zerstört. Der Wind treibt mit den Gesteinstrümmern sein spiel, er schleift sie zu Sand ab
und weht sie zu Dünen zusammen, die das pflanzliche Leben ersticken. Der Wassermangel
verschuldet die Unfruchtbarkeit der Wüste. - Die Herren der Wüste, die Franzosen, pichen deshalb
überall fleißig nach verborgenen Wasseradern in Gestein und Sand. Zahlreiche artesische Brunnen
wurden seit 60 Zähren erbohrt. Wo ein Wasserstrahl aus der Erde bricht, entsteht eine neue
Oase; Dattelpalmen werden angepflanzt, Ginster und Knöterich halten den Sandboden fest.
Karawanen. Die Bewohner der Wüste, die Berber und die Tibbu, sind
auf einen lebhaften Austauschsverkehr angewiesen; ein lebhafter Durchgangshandel
hat sich vom Süden nach Nordafrika entwickelt. Weder Pferd noch Esel
können als Lasttiere mit dem genügsamen Kamel wetteifern. Große Karawanen
ziehen von Fes oder von Algier nach Timbuktu oder von Tripolis nach dem
Tsadsee. Goldstaub, Elfenbein und Gummi werden nach Norden gebracht;
europäische Waren gehen nach Süden. Gewöhnlich sind arabische Kaufleute die
Leiter der Karawanen, deren Wert oft Hunderttausende beträgt. Gegen räuberische
Überfälle schützt man sich durch Verträge mit den Wüstenstämmen. (Raubritter
im Mittelalter.)
Das Nilgebiet.
Lm Osten lehnt sich als eine große Oase das Nilgebiet an die Wüste.
Der nördliche Teil des Nillandes ist das uralte Ägyptische Reich.
Ägypten ist ein Werk des Nils; ihm verdankt das Land den Wasser-
reichtum und den fruchtbaren Boden. Weit vom Siiden kommt der Strom.
Seine zwei Quellflüsse vereinigen sich bei Chartum; der Weiße Nil ist der Abfluß
des hochgelegenen, riesigen Viktoriasees; der Blaue Nil kommt vom abessyni-
schen Hochland, von wo er in wildem Lauf große Schlammassen mitreißt. Länge
des Nil 6000 km, Länge des Rheins 1300 km. Lm Oberlauf begleitet die
Wüste den Fluß; das steinige Land tritt nahe an die User; in sechs Katarakten
(Stromschnellen und Fällen) überwindet der Fluß die Felsenhindernisse. Bei
Kairo beginnt das Delta des Nils; es ist 200 km lang und ebenso breit;
Sumpf und See breiten sich im Delta aus.
Für die Länder am unteren Nil ist das Wachsen des Fülsses und die
Überschwemmung des Landes das wichtigste Ereignis im Lahr. Was sonst
ein Unglück, ist hier eine Wohltat. Wenn im Luni die tropischen Regengüsse
eintreten, füllen sich die seichten Flußbette mit Wasser. Wenn der Nil seinen
höchsten Stand erreicht hat, werden die Schleusen geöffnet und das schlammige
Wasser verwandelt das Land in einen See, aus dem nur die hochgelegenen
Dorfhütten heraussehen. Das verebbende Wasser hinterläßt eine schwarze Schlamin-
schicht, die sofort angebaut wird. Nach vier Monaten kann bereits die Ernte
stattfinden. Wenn die Überschwemmung ausbleibt, entsteht Mißernte und Hungers-
not. (Die fetten und die mageren Lahre!)
Bei Assuan in Oberägypten haben die Engländer eine Sperrmauer errichtet,
die den Wasserüberfluß aufstaut, so daß auch nach der Hochflut den Äckern noch
Feuchtigkeit zugeführt werden kann. (Talsperren in Deutschland — Murgtal.)
Weizen, Bohnen, Mais, Zwiebeln, Baumwolle und Klee sind die Haupterzeugnisse
des Landes. Ln den Marschen des Nildeltas finden jährlich drei Ernten statt.