1916 -
Bühl (Baden)
: Konkordia-Verl.
- Autor: Mattes, Friedrich Wilhelm, Hüffner, Jakob
- Hrsg.: Jungmann, Ludwig, Kipphan, K., Eisinger, K., Reinfurth, Thomas
- Auflagennummer (WdK): 15
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
I
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Bauer kannte noch keine Metalle, sondern benutzte nur Steine zur Herstellung
seiner Handwerkszeuge. Er war ein eifriger Zager, der den mächtigen Urstier,
das Wildschwein und das stattliche Elentier, einen großen Rothirsch, jagte. Erst
allmählich wurde ans dem Läger und Fischer ein Ackerbauer, der auch bald das
Kupfer als erstes Metall verwerten lernte. Da sich das Kupfer zur Herstellung
von Waffen zu weich erwies, verschmolz man es mit Zinn zu Bronze. Schmelz-
tiegel und Gußformen dazu waren meistens aus Ton und Sandstein gefertigt.
Zn jenen grauen Urzeitstagen schon war der Hund das allgemeinste Haus-
tier, der treue Wächter und Begleiter des Menschen. Allmählich erst lernte der
Pfahlbauer aus verschiedenen Wildformen Rinder, Pferde, Schweine, Schafe
und Ziegen züchten. Sein
neuer Viehbestand gab ihm
auch neue Nahrungsmittel.
Noch fehlte es aber der
Pfahlbauersfrau am nötigen
Geschirr zum Aufbewahren
der Milch. Getrocknete
Tontöpfe ließen die Flüssig-
keiten durchsickern, Holz-
und Steingefäße waren be-
schwerlich herzustellen. Da
kam der Zufall zu Hilfe.
Vor dem häuslichen Herd
stand ein Korb, dessen Znnemvand mit feuchtem Ton ausgestrichen war. Ein
Funke entzündete zufällig das Flechtwerk und zerstörte es. Der gebrannte, irdene
Topf blieb zurück. Bald lernte man auch Teller, Schüsseln, Becher mit der
Hand aus Ton formen und brennen. Gegenstände aus Eisen zu fertigen, war
dem Pfahlbauer fast unbekannt. Erst unsere eigentlichen Vorfahren, die Ger-
manen, lernten den hohen Wert des Eisens schätzen und verwerten. Die erste
Kunde über sie und ihr Land verdanken wir vor allem dem römischen Geschichts-
schreiber Ta eitu s.
2. Das Land. Germanien hieß ihr Land. Es war von dichtem Urwald
bedeckt. Aus den feuchten Gründen der Ebene erwuchsen mächtige Riesenbäume:
Eiche, Esche, Erle und Ulme; auf den Höhen der Mittelgebirge rauschten Buchen
und Linden. Breite, uneingedämmte Ströme überschwemmten weite Strecken
Landes, so daß in den Niederungen große Sümpfe und Znseln oder „Werder"
entstanden. Die Luft war rauh, feucht und nebelig. Die schweigende Einsamkeit
der Wälder wurde nur von dem Gebrüll des Elentiers und des Urs, einem Wild-
rind von bedeutender Körpergröße, dem Gebrumm der Bären, dem Geheul der
Wölfe und dem Grunzen der Wildschweinherden unterbrochen. Auf Weideplätzen
an Waldlichtungen grasten Pferde, Rinder, Ziegen und Schafe. An solchen
lichten und trockenen Stellen gab es auch Ackerland. Und wo am „Bach",
am „Brunn", am „Born", im „Bruch", im „Ried", an der „Lach" oder „Loch"
der Germane sich ansiedelte, benannte er seine Flur oder seine Niederlassung
nach der Beschaffenheit des Bodens.
3. Aussehen und Eigenschaften der Germanen. Die Germanen zeichneten
sich ans durch hohen Wuchs, Kraft und Gewandtheit des Körpers, helle