1916 -
Bühl (Baden)
: Konkordia-Verl.
- Autor: Mattes, Friedrich Wilhelm, Hüffner, Jakob
- Hrsg.: Jungmann, Ludwig, Kipphan, K., Eisinger, K., Reinfurth, Thomas
- Auflagennummer (WdK): 15
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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und auf die Möbel! 3. Beachte die Gartenanlagen! 4. Warum waren die jetzt geraubten
elsässischen Gebiete im Westfälischen Frieden nicht an Frankreich abgetreten worden? 5. Wann
wurde Straßburg rind das übrige Elsaß wieder deutsch? 6. Für welche Länder bedeutete das
französische Straßburg eine fortwährende Gefahr? 7. Warum war gerade der Verlust von
Straßburg besonders schmerzlich? 8. Welche Lieder preisen die alte, freie Stadt? 9. Stelle
fest, ob einer dieser Kriege auch in deiner Heimat gewütet hat! 10. Überlege, welche Wirkung
jene Kriege mif die Tätigkeit der Bewohner haben mußten! a) Landwirtschaft, b) Handwerk,
c) Handel und Verkehr! 11. In welchen Namen lebt heute noch das Andenken der Mord-
brenner fort?
45. Baden zur Zeit Ludwigs Xiv.
1. Das wirtschaftliche Leben in der Pfalz. Unsere blühende Heimat war nach dem
Dreißigjährigen Kriege ein Ödland geworden. Als Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz
auf sein väterliches Besitztum am Neckar und am Rheine heimkehrte, fand er die Felder mit
Dorngestrüpp bewachsen, die Weinberge verwüstet, die Dörfer voll Armut und Elend, sein stolzes
Stammschloß wüste und leer. Die Kriegsnot zu lindern, war das Ziel seiner Regierung. Er
brachte durch seinen Aufenthalt in dem freien, tätigen Holland reiche Erfahrungen
auf dem Gebiete des Handels, der Industrie und der Landwirtschaft mit zurück. Mannheim
machte er zur Handelsbeherrscherin des Oberrheins und berief dahin in Handel und
Gewerbe erfahrene Männer aus Holland, England rind Frankreich. Den lästigen Zunftzwang
suchte er 311 beseitigen, und das Geschäftsleben durch Zoll- rind Gewerbefreiheit zu heben.
Unter den Gewerben nahm die von den Franzosen eingeführte Tuchmacherei die erste Stelle ein.
Die Tuchfabrikatiou förderte den Anbau neuer Färbepflanzen, z. B. des Krapp. Aus Krapp-
und Tabakbau erwuchs dem Landmann reicher Gewinn. Ein werktätiges Leben erblühte in der
Pfalz rmd besonders in Mannheim und legte den Grund zu der jetzigen Bedeutung der Stadt.
2. Das wirtschaftliche Leben in der Markgrafschaft Baden-Durlach. Die Erfolge des
Pfälzer Kurfürsten veranlaßten die Markgrafen von Baden-Drirlach zur Nachahmung. Pforz-
heim sollte der Mittelpunkt geschäftlicher Unternehmen werden. Dazu bedurfte man der Unter-
stützung industrie- und gewerbekundiger Männer. Mit Freuden gewährten darum die Markgrafen
von Baden-Durlach ihren vertriebenen französischen Glaubensgenossen freundliche Aufnahme
rmd Wohirsitze. In Pforzheim, Durlach, Mühlburg und in der Umgebung dieser Orte entstanden
französische Niederlassungen. Die bäuerliche eingewanderte Bevölkerung irahnr neue Rodungen vor
und erbaute ans diesem Neulande ihre Dörfer. Die eingewanderte städtische Bevölkerung aber schuf
neues Industrie- rurd Gewerbeland, das Tausende von Arbeitslosen beschäftigte. In Pforzheim
entstanden Fabriken für Strumpf-, Zeug-, Leder-, Silber- und Goldwaren. Nur die Goldwaren-
fabrikatiou hatte dauernden Bestand und erlangte Weltbedeutung. Die vielen Kriege mit ihren
Feldverwüstungen zwangen die Bevölkerung, nach neuen Erwerbszweigen sich umzusehen. So
entstanden bäuerliche Handwerker, die als „Nichtzünftige" ihre Waren nur auf ausländischen
Märkten absetzen konnten. Die Not der Zeit machte aus dem Ackerbauer den Gewerbetreibenden.
3. Folgen der Raubkriege Ludwigs Xiv. Der königliche Grenznachbar jenseits des
Rheins war für das badische Land ein gefürchteter Räuber und Verwüster geworden. Furcht
und Schrecken, Leiden und Not waren seine Weggenossen gewesen. Die harten Kriegsjahre
hatten den Wohlstand des Landes vernichtet: Die rege Gewerbe- und Industrietätigkeit stockte,
die Felder lagen wiederum verwüstet, Dörfer, Städte, Schlösser und Burgen verbrannt, die
Bewohner waren verarmt. Es war die Zeit der höchsten Not für das ganze Land.
4. Markgraf Karl Wilhelm. 1709—1734. Inmitten der kriegsschweren Zeiten des
Spanischen Erbfolgekrieges bestieg Markgraf Karl Wilhelm von Baden-Durlach den
Thron. Schweren Herzens sah er das Unglück seines Volkes. Nach dem Reichsfrieden 1714
stellte er sich hohe landesväterliche Aufgaben: Er wollte für das junge, heranwachsende Geschlecht
sorgen, „damit die noch schwache und zu Gewinnung ihrer täglich nötigen Nahrung unkräftige
Jugend und die verlassene Waisenschaft von dem betrübten und doch müßigen Bettelstab und
den anfangenden losen Sitten ab-, hingegen aber der Gottesfurcht zugewendet, im Schreiben
und Lesen genugsam unterrichtet, zur Erlernung nützlicher Handwerke geleitet und zur Arbeit
angewöhnt werde." Darum gründete er in Pforzheim ein Waisenhaus, das zugleich Blinden-,
Taubstummen-, Idiotenanstalt und Zuchthaus war. Jeder Insasse mußte ein Handwerk er-
lernen; denn „das Waisenhaus sollte die Pflanzstätte" der Jugend werden, welche die erlernten
Handwerke im ganzen Lande verbreiten sollte. Durch Gründung eines Eisenhammerwerkes,
einer Seidenfabrik und einer Hosenstrickerei suchte er die Industrie weiter zu heben.