1890 -
Breslau
: Goerlich
- Hrsg.: Richter, Eugen, Hübner, Max
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Ii
8
Von außen und innen angegriffen, mußte der Orden zuletzt unterliegen. West-
preußen wurde an Polen abgetreten, Ostpreußen blieb zwar dem Orden, aber der
* Hochmeister war vom Könige von Polen abhängig. Das Land war durch die
langen Kriege schrecklich verwüstet, und die Bewohner waren verarmt.
6. Preußen wird ein weltlicher Staat. Einer der Hochmeister, Albrecht von
Brandenburg, war mit Luther bekannt geworden. Er trat zu dessen Lehre über
und erklärte das Herzogtum Preußen für einen weltlichen Staat. Ein großer
Teil der Bewohner nahm gleichfalls die lutherische Lehre an; die meisten Ordens-
ritter aber verließen das Land. Das Geschlecht Albrechts herrschte nicht lange:
sein L-ohn wurde blödsinnig und starb kinderlos. Das Land fiel an die Kurfürsten
von Brandenburg, die schon früher ihre Anrechte gesichert hatten.
H. Georg Wilhelm. (1619—1640.) — Der dreißigjährige Krieg.
Ivahlspruch: Anfang, bedenk' das Ende.
Der Nachfolger Johann Sigismunds war Georg Wilhelm (1619—1640).
Während seiner ganzen Regierungszeit wütete in Deutschland der dreißigjährige
Krieg, der unser Vaterland an den Rand des Verderbens brachte und dessen Folgen
durch länger als 200 Jahre fühlbar waren.
1. Ursache und Uerlauf des Krieges. Die Ursache des dreißigjährigen
Krieges war die Feindschaft zwischen den Katholiken und Protestanten in Deutsch-
land. Sowohl die evangelischen als die katholischen Fürsten hatten sich zu gegen-
seitiger Unterstützung unter einander verbündet, und es bedurfte nur eines An-
lasses, um die Feindseligkeit zum offenen Ausbruch zu bringen. Diese Veranlassung
gab die Empörung der böhmischen Protestanten gegen den deutschen Kaiser im Jahre
1618. (Vergl. S. 81). Anfangs wurde der Krieg in Böhmen geführt, und dieser
Abschnitt heißt der böhmisch-deutsche Krieg; dann kamen die Dänen nach Deutsch-
land, und es entstand der dänisch-deutsche Krieg; später setzten die Schweden den
Krieg fort, weshalb man ihn den schwedisch-deutschen Krieg nennt; zuletzt er-
schienen die Franzosen auf dem Kampfplatze, und dieser Abschnitt heißt der fran-
zösisch-deutsche Krieg.
2. Soldaten und Heere. Brandenburg litt in diesem Kriege entsetzlich.
Beim Ausbruche desselben hatte der Kurfürst fast gar keine Kriegsmacht, denn
Soldaten in unserem Sinne gab es nicht. Entstand ein Krieg in damaliger Zeit,
so ließ der Fürst bekannt machen, daß er Soldaten brauche; dann meldete sich,
wer sonst nichts treiben konnte oder wollte als das Kriegshandwerk, erhielt ein
Handgeld und monatlichen Sold und wurde Soldat. Diese Söldner fochten nicht
aus Liebe zum Vaterlande, nicht aus Gehorsam gegen ihren Fürsten, sondern aus
Gewinnsucht. Sie wollten viel Geld zusammenraffen, um recht viel verschwenden
zu können; die Offiziere gingen ihnen in diesem Bestreben voran. Daher« wurde
jedes Land, wohin ein Heer kam, furchtbar verwüstet.
3. Leiden des Landes. Im Laufe des Krieges ließ zwar Kurfürst Georg
Wilhelm einige Regimenter Soldaten anwerben, allein diese waren viel zu schwach,
um das Land vor dem Feinde zu schützen. Die Heere des Kaisers zogen durch
das Land und erpreßten ungeheure Summen; dann kam der Schwedenkönig und
erzwang den Durchzug; aus Rache hierfür verwüstete das kaiserliche Heer das
Land, und in den letzten Jahren hausten die Schweden schlimmer als Räuber-
banden. Wehe der Stadt und dem Dorfe, wohin diese zügellosen Soldaten kamen;
ihnen war nichts heilig. „Der Kirchenschmuck ist unter gotteslästerlichen Reden
weggeraubt, ein Bürger an den untersten Knauf der Kanzel aufgeknüpft worden;
faules Wasser, was sie am unreinsten bekommen konnten, wurde den Leuten ein-
geschüttet. Anderen haben sie mit Daumschrauben und eisernen Stöcken die Hände
wund gepreßt, Männern die Bärte abgebrannt, einige alte Frauen und Manns-
leute in den Backofen gesteckt oder in den Rauchfängen aufgehangen und in den
Brunnen gesenkt, noch andere haben sie bei den Haaren aufgehängt und sich quälen
lassen, bis sie ganz schwarz gewesen." So schildert ein Zeitgenosse die Frevelthaten
der Soldaten.
Georg Wilhelm erlebte das Ende des Krieges nicht; er starb im Jahre 1640.
Ihm folgte der eigentliche Begründer des preußischen Staates, der große Kurfürst.