1890 -
Breslau
: Goerlich
- Hrsg.: Richter, Eugen, Hübner, Max
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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Ii
Später versuchten bte Römer, die Deutschen langsam an ihre Sitten und
ihre Herrschaft zu gewöhnen. Römische Kaufleute kamen ins Land, brachten schöne
Kleider, Waffen und goldene Geräte; dafür tauschten sie Felle der Tiere, Haare der
Mädchen und Frauen und den kostbaren Bernstein ein. Dann bauten sich die
Römer feste Burgen, Kaufleute und Handwerker ließen sich nieder, und römische
Städte entstanden in Deutschland. Junge deutsche Männer traten in das römische
Heer und erhielten reichen Sold und hohe Stellen. Wenn deutsche Stämme ein-
ander bekämpften, halfen die Römer einem Teile, um dann beide zu verderben.
So unterwarfen sie sich allmählich das Land zwischen Rhein und Elbe.
3. Don dem Kampf gegen Uarus. Als Statthalter dieser Provinz
setzten sie den stolzen und habsüchtigen Varus ein. Dieser suchte mit Gewalt
römische Sprache und Sitte in Deutschland einzuführen, trieb die Abgaben mit
großer Härte ein und ließ freie Deutsche geißeln und hinrichten. Dadurch
wurde große Unzufriedenheit unter den niederdeutschen Völkern erregt.
Niemand fühlte die Schmach des Volkes tiefer als Hermann, der
Sohn eines deutschen Fürsten aus dem Stamme der Cherusker. In seiner
Jugend hatte er in dem römischen Heere gedient und so die römische Kriegs«
kunst kennen gelernt, vom Kaiser Augustus sogar das römische Bürgerrecht
erhalten; dennoch haßte er die Römer und suchte ihre Herrschaft abzu-
schütteln.
Im Jahre 9 nach Christus erhielt Varus die Nachricht, daß die deutschen
Völkerstämme, die an der Weser wohnten, einen Aufstand gegen die Römer
unternommen hätten. Varus stand an der unteren Ems und zog mit seinem
Heere durch den Teutoburger Wald, um an den Ort des Aufstandes zu
gelangen. In den Schluchten und Engpässen des Teutoburger Waldes konnte
das römische Heer nur langsam vorrücken; durch lang anhaltenden Regen war
der sumpfige Boden unwegsam. Bogen und Pfeile waren unbrauchbar geworden.
Plötzlich stürmten von den umliegenden Anhöhen die Deutschen auf die er-
matteten Römer; von vorn, von den Seiten, vom Rücken wurden diese an-
gegriffen. Am dritten Tage endlich unterlagen die Römer vollständig. Nach
verzweifelter Gegenwehr wurde das ganze römische Heer vernichtet; Varus
stürzte sich in sein Schwert, um nicht lebendig in die Hände der Deutschen zu
fallen. Viele der gefangenen Römer wurden den Göttern geopfert, die übrigen
zu harter Knechtschaft verurteilt.
Als in Rom die Nachricht von der Niederlage im Teutoburger Walde
eintraf, gerieten die Römer in große Angst. Sie glaubten, die gefürchteten
Deutschen würden über die Alpen kommen und Italien verwüsten. Der Kaiser
Augustus rief händeringend aus: „Varus, gieb mir meine Legionen wieder!"
und ließ sich zum Zeichen der Trauer einige Monate Bart und Haare wachsen.
Die Deutschen aber begnügten sich, die römischen Festungen am Rhein, der
Weser und der Elbe zu zerstören und die Denkmäler römischer Herrschaft zu
vernichten.
3. Die Völkerwanderung. Attila.
1. Veranlassung.. Um das Jahr 375 nach Christus entstand unter den
deutschen Volksstämmen eine große Bewegung; viele Völker verließen ihre Wohn-
sitze und suchten neue auf. Diese Bewegung nennt man die Völkerwanderung.
Die Veranlassung zur Völkerwanderung gab ein Einfall der Hunnen.
Dieses wilde, häßliche Reitervolk kam aus Asien. Von früher Jugend gegen
Hitze und Kälte und gegen alle Beschwerden abgehärtet, schweiften die Hunnen