1890 -
Breslau
: Goerlich
- Hrsg.: Richter, Eugen, Hübner, Max
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
19
Iii
Junge Hasen. Die Häsin legt keine Eier, wie man zur Osterzeit im
Scherz wohl sagt, sondern sie bekommt lebendige Junge und zwar zwei- bis dreimal
im Jahre. Daher kommt es, daß bei einer Jagd einige Hundert Hasen weggeschossen
werden können und im nächsten Jahre doch noch genug da sind. Die jungen Häschen
werden von der Alten einige Wochen sorgsam gepflegt, spazieren geführt und
manchmal wohl auch gegen Raubgesindel, wie Wiesel und Habicht, verteidigt. Vor
dem Hasenvater verbirgt die Häsin die Kleinen sorgfältig, denn wenn der Herr Papa nicht
bei ttaune ist, so mißhandelt er die armen Dinger mit Ohrfeigen und Bissen. Mit ihren
Jungen redet die Hasenmutter eme absonderliche Sprache. Viel Lärm darf sie nicht
machen, um sich nicht zu verraten; deshalb giebt sie Zeichen mit den Ohren, was die
Kleinen auch besser verstehen und befolgen, als manche Kinder die Worte ihrer Eltern
und Lehrer. Sind die jungen Hasen so weit, daß sie Klee und Kohl naschen können,
dann jagt sie die Mutter unbarmherzig fort und sie müssen sich auf eigene Faust durch
die böse Welt helfen.
Aufgaben. 1. warum gehört der Hase zu den Nagetieren? 2. woher
kommen die Redensarten: „ein Hasenfuß sein, „ein Hasenherz haben", „das
Hasenpanier ergreifen"?
10. Die Kausrnaus.
Körperbau. Die Hausmaus ist ein kleines, niedliches Tierchen. Ihr
seines Pelzchen ist oben dunkelgrau, unten hellgrau. Die großen Augen befähigen sie,
auch bei schwachem Dämmerlichte zu sehen. Die ziemlich langen Ohren lassen sie das
leiseste Geräusch vernehmen. Die Kleinheit ihres Körpers macht es ihr möglich,
durch enge Ritze und kleine Spalten zu schlüpfen. Die Hinterbeine sind länger und
flärker als die Vorderbeine; sie kann daher recht gut springen und sogar auf den
Hinterbeinen aufrecht gehen. Beim Fressen hält sie ihre Nahrung mit den Vorder-
pfoten. Vorn hat sie vier, hinten fünf Zehen mit Krallen. Der lange Schwanz
ist mit Schuppenringen besetzt. Das Gebiß ist ein Nagetiergebiß. Da die Schneide-
zähne nachwachsen, hat die Maus einen unwiderstehlichen Trieb zum Nagen, um diese
Zähne abzunutzen. Daher das fortwährende Knuspern und Knabbern der Mäuse.
Lebensweise. Die Hausmaus ist ein munteres und liebenswürdiges
Tierchen. Sie ist gutmütig und harmlos und so klug, daß sie bald merkt,
wo sie geschont wird, ja sogar sehr zahm wird. Gar manchem Gesänge«
nen ist sie in seiner Zelle schon ein lieber Gesellschafter geworden. Man
könnte sie fast lieb gewinnen, wenn sie nicht mancherlei böse Eigenschaften
hätte. Ihre Naschhaftigkeit und ihre Nagelust machen sie zu einem wahren
Plagegeiste des Menschen. Da sie vorzüglich klettert und springt, und sich
überall durchdrängen kann, wo nur das kleinste Loch sich findet, spaziert sie
in allen Räumen des Hauses herum. Sie nascht von allem, was eßbar ist;
sie beknuspert und zerbeißt Holzwerk und Wäsche, Leder und Papier. Am
liebsten frißt sie Getreidekörner und Bohnen, Speck und Fleisch, Brot und
Kuchen. Zur schönen Sommerszeit wandert sie wohl auch in den Wald oder
aufs Feld und verspeist Eicheln, Bucheckern und süße Beeren.
Dermehruntz. Drei- bis fünfmal im Jahre bekommt die Hausmaus
je 4—7 Junge, denen sie ein weiches Nest in sicherem Verstecke bereitet. Papier,
Federn, Wolle und Haare werden für das Nest zusammengetragen, und oft genug
Betten, Kleider und Bücher zernagt, um die Jungen nur recht weich zu betten.
Diese sind anfangs nackt und blind, aber nach 14 Tagen bereits ausgewachsen
und im stände, für sich selber zu sorgen. Nach 4 Monaten bauen sie bereits
ihr eigenes Nestchen und pflegen ihre eigenen Jungen. So könnten nach
2 Jahren statt eines Mäusepaares deren an 400 vorhanden sein, wenn kein
Mäuschen zu gründe ginge.
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