1890 -
Breslau
: Goerlich
- Hrsg.: Richter, Eugen, Hübner, Max
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
91
Iii
der Mitte der Büchse steht ein Säulchen, um welches sich die Sporen lagern. So
lange die Sporen noch unreif sind, liegt auf der Kapsel ein zuckerhutähnlicher Deckel
und über diesem die mit goldgelben Haaren besetzte Haube oder Mütze. Sind die
Sporen reif, so stellt sich die Kapsel wagerecht und Haube, Deckel und Scheibe fallen
ad. Die kleinen Sporen werden vom Winde leicht fortgeweht und keimen an günstigen
Orten. Beim Keimen bildet sich zuerst ein fadenförmiger grüner Vorkeim, aus dem
sich erst die eigentliche Moospflanze erhebt.
Nutzen der Moose. Außer dem gemeinen Haarmoos kommen in unfern
Wäldern noch andere Haarmoosarten vor. Die Haarmoose bilden mit andern Moosen
(Torfmoos, Astmoos, Sternmoos, Gabelmoos u. s. w.) die Familie der Fanb-
moose. Die Moose sind für den Menschen scheinbar von geringem Nutzen. Das
gemeine Haarmoos benützt man zu Bürsten und, wie auch andere Moose, zum Aus-
stopfen von Kissen, bei Brunnenbauten zum Ausfüllen der Mauerritzen, zu Kränzen
und zum Verpacken. Im Haushalte der Natur spielen die Moose eine um so größere
Rolle. Sie bereiten den höhern Pflanzen einen tauglichen Boden vor, gewähren zahl-
reichen Pflanzensamen Schutz, bieten einer Menge kleiner Tierchen Wohnung und Auf-
enthalt, bewahren dem Waldboden die Feuchtigkeit und tragen wesentlich zur Torf-
bildung bei. Das letztere thun namentlich die Torfmoose. Diese unterscheiden sich
von den andern Moosen durch die bleichgrüne, oft bräunliche oder rötliche Färbung.
Bei ihnen sterben die Stengel am untern Teile bei fortschreitendem Wachstum ab
und bilden durch Vermodern eine Torfschicht. Den Obstbäumen schaden die am
Stamme und an den Ästen sich ansiedelnden Moose und müssen deshalb von denselben
durch Abkratzen und Bestreichen der Bäume mit Kalkmilch entfernt werden.
Aufgaben. 1. Worin unterscheidet sich das Moosblatt von den Blättern der
höhern Pflanzen? 2. Beschreibe die Mooskapsel! 3. Gieb den Nutzen der Moose
im Haushalte der Natur an!
30. Z)er Ikiegenptlz.
(Fruchtreife: August bis Oktober.)
Name. Dieser schöne Pilz findet sich häufig in Laub- und Nadelwäldern.
Trotz seines schönen Äußern ist er einer der giftigsten Pilze Deutschlands. Seinen
Namen hat er von seiner Verwendung zum Vergiften von Fliegen. Man schneidet zu
dem Zweck den Hut in Scheiben und setzt diese, in Milch oder Wasser eingeweicht, zum
Töten der Fliegen hin. Beim Menschen bewirkt der Genuß Krämpfe und Bewußt
losigkeit; nach 20—24 Stunden kann sogar der Tod eintreten. Bei geringen Mengen
find 2—3 Eßlöffel voll Öl oder Fett ein wirksames Gegenmittel.
Hauptteile. Die Hauptteile des Fliegenpilzes sind der Hut, der Stiel und
das Pilzlager, welches Unkundige für die Wurzeln halten. Der fleischige Hut ist in der
Jugend kugelig gewölbt, später flach. Die Oberfläche des Hutes ist feurig rot, manchmal
gelb und mit einzelnen weißen Warzen bedeckt. An der Unterseite des Hutes befinden
sich weiße oder gelbliche Fächer, die sogenannten „Fruchtblätter", an welchen die Sporen
sitzen. Der Stiel ist weiß und unten knollig verdickt. Unterhalb des Hutes bemerkt
man einen rings um den Stiel reichenden, häutigen Ring.
Keimen und Machten. Der Fliegenpilz pflanzt sich wie die Farne und
Moose durch Sporen fort. Legt man den abgeschnittenen Hut mit den Blättern nach
unten aus ein Stück graues Papier, so findet man am nächsten Tage die ganze vom
Hut überdeckte Fläche mit weißen Sporen bedeckt. Diese Sporen haben sich an den
Blättern des Hutes gebildet. An diesen bemerkt man unter dem Vergrößerungsglase
zahlreiche, hervorstehende, keulenförmige Zellen. An der Spitze derselben sitzen auf
kleinen Stielchen die Sporen. Der Wind führt sie wegen ihrer Kleinheit leicht fort.
Milliarden von Sporen gehen zu gründe; diejenigen, welche keimen, wachsen zu einem
seinen Fadengeflecht aus, dem Pilzlager. Aus diesem entwickelt sich der Fruckitträger,
das Gebilde, welches wir gewöhnlich als „Pilz" bezeichnen. Der junge Pilz ist an-
fänglich von einer weißen häutigen Hülle umgeben. Beim Weiterwachsen zerreißt diese
Hülle und der Stiel mit dem Hute tritt hervor. Die weißen Schuppen auf dem Hute
sind Überreste dieser Hülle. Auch die Unterseite des jungen Hutes ist mit einer weißen
Haut, dem „Schleier", überzogen. Beim Flacherwerden des Hutes löst sich der Schleier
vom Rande des Hutes los und bleibt als Ring am Stiele hängen.