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1. Diesterwegs Realienbuch - S. 23

1913 - Frankfurt a.M. : Diesterweg
23 unberührt vom Eindrücke des vornehmen Besuches geblieben. üuch die welt- abgeschiedensten Seelen fühlten, dost einer Zrau Huldigung gebührt. In der Rüche ward unter Gerold des Schaffners Leitung eine Tätig- teit entwickelt, die nichts zu wünschen übrig ließ. Jetzt läutete das (Blödlein, dessen Ton auch von den frömmsten Brüdern noch keiner unwillig gehört, der Ruf zur Übendmahlzeit. Oer übt geleitete die Herzogin ins Refektorium. Sieben Säulen teilten den luftigen Saal hälftig ab,' an vierzehn Tischen standen, wie Heerscharen der streitenden Rirche, des Richters Mitglieder, Priester und Oiaionen. Das ümt des Vorlesers vor dem Imbiß stand in dieser Ivoche bei Ekkehard, dem Pförtner. Oer Herzogin zu Ehren hatte er den 45. Psalm er- koren,- er trat auf und sprach einleitend: „Herr, öffne meine Lippen, auf daß mein Mund dein Lob verkünde", und alle sprachen's ihm murmelnd nach, als Segen zu seiner Lesung. Nun erhob er seine Stimme und las den Psalm, den die Schrift selbst einen lieblichen Gesang nennt. Darauf begann die Mahlzeit. Oer Rüchenmeister, wohl wissend, wie bei ünkunft fremder Gäste Erweiterung der schmalen Rlosterkost gestattet sei, hatte es nicht beim üblichen Mus von Hülsenfrüchten bewenden lassen. U)ohl er- schien zuerst ein dampfender Hirsebrei, auf daß, wer gewissenhaft bei der Rege! bleiben wollte, sich daran sättige,- aber Schüssel auf Schüssel folgte, bei mächtigem Hirschziemer fehlte der Bärenschinken nicht, sogar der Biber vom oberen Zisch- leich hatte sein Leben lassen müssen,- Zasanen, Rebhühner Turteltauben und des Vogelherdes kleinere üusbeute folgten,- der Zische aber eine unendliche üus- wahl, so daß schließlich ein jedes Getier, watendes, fliegendes, schwimmendes und kriechendes, auf der Riostertafel feine Vertretung fand. Üis der stattliche Nachtisch, auf dem Pfirsiche, Melonen und trockene Zeigen geprangt hatten, verzehrt war, mußte wieder — so wollte es des Ordens Regel — zur Erbauung der Gemüter ein übschnitt aus der Schrift oder dem Leben heiliger Väter gelesen werden. Darum las Ekkehard ein Stück aus dem Leben des heiligen Lenediktus, das der Papst Gregorius verfaßt,- aber Spazzo schlug unversehens dem Vorleser das Buch zu, daß der holzbeschlagene Deckel klappte, hob ihm seinen Pokal entgegen und sprach: Oer heilige Benedikt soll leben! Und wie ihn Ekkehard vorwurfsvoll ansah, stimmten schon die jüngeren Rlosterbrüder lärmend ein, und fröhlicher Jechgesang und lauter Jubel durch- drang den Saal. Etliche stürmten hinaus und kamen wieder mit Instrumenten. Oer brachte eine Laute, jener ein G e igi ein, worauf nur eine Saite gespannt, ein anderer eine ürt Hackebrett mit eingeschlagenen Metallstiften, zu deren Anschlag ein Stimmschlüssel dienlich war, wiederum ein anderer eine kleine zehnsaitige Harfe, Psalter hießen sie das seltsam geformte Instrument, und sahen in seiner dreieckigen Gestalt das Spmbol der Dreieinigkeit. Und dem Tutilo reichten sie einen dunklen Taktslab von Ebenholz. Lächelnd erhob sich der graue Künstler und gab ihnen das Zeichen zu einer Musila, die er selbst in jungen Tagen aufgesetzt,- mit Freudigkeit hörten's die anderen. Oer Zrau Herzogin klang die Musik gellend in die Ghren. Sie sprach: „Es ist Zeit, schlafen zu gehen!" und ging mit ihrem Gefolge nach dem Schul- hause hinüber, wo ihr Nachtlager sein sollte. Frühmorgens aber saß die Herzogin schon samt ihren Leuten im Satte!, um heimzureiten — und bald darauf lag das Kloster in stiller Ruhe. Jos. Viktor v. Scheffel. ------- 3|C-----
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