1907 -
Detmold
: Meyer
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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es zum offenen Aufruhr. Hier und da riß man das Straßenpflaster auf;
durch Steine, Wagen und anderes Gerät wurden die Straßen gesperrt,
und hinter diesen sogenannten Barrikaden standen die aufrührerischen
Kämpfer. Da ließ der König seine Soldaten vorgehen. Ihnen vermochten
die Empörer nicht stand zu halten; doch zog der gütige König die Truppen
zurück, ehe der Ausruhr ganz niedergeschlagen war. — Am meisten gehaßt
wurde in jenen Tagen der Prinz von Preußen, der älteste Bruder des
Königs, weil er ein rechter Soldat war und keine Unordnung dulden
mochte. Auf Befehl des Königs mußte er für einige Zeit nach England
reisen. In andern deutschen Staaten kam es zu ähnlichen Kämpfen.
Besonders heftig waren sie in Süddeutschland und namentlich in Baden.
Hier wollten die Empörer eine Republik errichten. Allein preußische
Truppen unter dem Prinzen Wilhelm, der aus England zurückgekehrt war,
stellten auch hier die Ordnung wieder her.
3. Verfassung. Im Jahre 1850 erließ der König die lange erwartete
Verfassung. Nach derselben kann der König nur in Gemeinschaft mit
dem Landtage Gesetze erlassen oder ausheben. Der preußische Landtag
hat ein Herrenhaus und ein Abgeordnetenhaus. Das Herrenhaus besteht
aus den volljährigen königlichen Prinzen, den sogenannten Standesherren
und andern Mitgliedern, die vom Könige ernannt werden. Die Ab-
geordneten werden durch Wahlmänner bestimmt, die vorher vom Volke
gewählt sind. Ähnliche Verfassungen kamen auch in den meisten andern
deutschen Staaten zustande. In Lippe gibt es kein Herrenhaus. Der
Landtag besteht hier aus 21 Abgeordneten, die vom Volke gewählt sind.
Ein neues Gesetz kommt bei uns auf folgende Weise zustande: Zunächst
arbeitet die Fürstliche Regierung auf Befehl und nach dem Willen des
Fürsten einen Entwurf aus. Dieser wird dann dem Landtage vorgelegt.
Dreimal werden hier die einzelnen Teile des Entwurfs geprüft und be-
sprochen. Dabei können die Abgeordneten Änderungen vornehmen, Zu-
sätze machen u. s. w. Ein vom Landtage angenommener Entwurf wird
durch die Unterschrift des Fürsten oder des Regenten zum Gesetz.
4. Deutsche Einheit. Auch aus die Einigung Deutschlands war man
im Jahre 1848 bedacht. Das deutsche Volk wurde aufgefordert, eine
Nationalversammlung für das ganze Deutschland zu wählen. Die Wahlen
wurden vorgenommen, und im Mai 1848 versammelten sich 600 Ab-
geordnete in der Paulskirche zu Frankfurt, um über die Einigung Deutsch-
lands zu beraten. Über die Verfassung desselben war aber weder das
Volk noch die Nationalversammlung einig. Ein aus Lemgo eingesandtes
Schreiben sprach z. B. den Wunsch aus, man wolle ein einiges Deutsch-
land, aber keinen Kaiser. Nach langem Streiten wählte aber die National-
versammlung doch den König Friedrich Wilhelm Iv. zum deutschen Kaiser,
freilich nur mit einer geringen Mehrheit. Da noch dazu mehrere Fürsten,
besonders der Kaiser von Österreich, gegen die Kaiserwahl waren, so lehnte
der König die Annahme der Kaiserkrone ab. — Friedrich Wilhelm Iv.
bemühte sich jetzt, die Einigung Deutschlands aus andere Weist herbei-
zuführen; doch fand er dabei an Österreich einen entschiedenen Gegner.
Fast wäre es damals zu einem Kriege zwischen Preußen und Österreich
gekommen. Doch der König scheute den Kampf und gab zu, daß der
Bundestag, der 1848 auseinandergegangen war, wieder zusammentrat.
Deutschland blieb uneinig und darum machtlos.