1901 -
Leipzig
: Hofmann
- Hrsg.: Gehrig, Hermann, ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
A. Heimatliche Landschafts- und Städtebilder.
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sind, so wird man einen Begriff von dem erhalten, was der Seegrund
hier birgt. Da sieht man die versunkenen Wiesen und Fluren, die noch
jetzt zum Teil ihre alten Namen behalten haben und noch als Sand-
bänke nach den Dörfern genannt werden, die in den Fluten ver-
schwunden sind. Da erkennt man noch in den tieferen Einschnitten
und Wasserstreifen den Lauf der Flüsse, die sonst das Land durchirrten.
An ihren Ufern blühten einst Blumen; jetzt fristet an denselben Ufer-
rändern die Auster ihr schmuckloses Dasein. Man bemerkt da große,
breite Schlünde und Streifen, die lang sich erstrecken und in vielen
Krümmungen sich verzweigen. Sie bezeichnen die Bahnen, auf welchen
das zerstörende Element, in die Länder einbrechend, einherschritt. An
einigen Bänken, die höher hervortreten, glaubt man, altes Ackerland zu
erkennen. Einst war es die Freude des erntenden Schnitters; jetzt ist
es der Schrecken des die Wellen pflügenden Schiffers, der ängstlich
diese Höhen meidet. Nur über die Knochen, die hier bleichen, und
über die Häuser und Steintrümmer, die noch im Sande versteckt sein
mögen, hat der Kartenzeichner nicht berichten können. Von ihnen er-
zählen die Sagen und zum Teil auch noch die historischen Erinnerungen
der Menschen, die bald auf diese, bald auf jene Stelle im Meere deuten
und dabei von der traulichen Herdflamme sprechen, welche dort vor
kurzem oder langem im Wasser erloschen ist.
Von manchem dieser untergegangenen Orte wird noch erzählt, daß
man zu Zeiten ihre Glocken unter dem Wasser ertönen höre. Ja, es
giebt Orte, deren Ruinen sogar noch über dem Meere erscheinen sollen,
wenn lange anhaltende Ostwinde das Wasser in die hohe See hinaus-
treiben und weite Strecken Meeresboden bloßlegen.
2. Heute glänzte die Meeresfläche freundlich, die soviel Grauses
verschleiert. Die Halligen,'welche wir bald sahen, hießen Langenäs
und Oland. Von weitem bemerkt man von ihnen nur die einzelnen
auf hohen Wurten liegenden Häuser, deren Aussehen schon der Römer
Plinius so treffend geschildert hat, als wäre er selbst hier gewesen.
Er sagt, sie lägen bei niedrigem Wasser da wie Schiffe, die auf den
Strand gelaufen, bei hohem aber wie solche, die mitten im Wasser
schwimmen. Der verschiedenartigen und häufig wechselnden Luftzustände
wegen zeigen sie fast alle Tage ein anderes Ansehen. Mehrere Male
hat man sogar die Insel Helgoland, die doch 25 Stunden von hier
entfernt liegt, wie ein Gespenst aus dem Meere hervorsteigen sehen.
Es geschieht dieses ohne Zweifel infolge einer Luftspiegelung.
Die Halligen ragten bei unserer Ankunft zur Flutzeit nur wenige
Zoll über die Oberfläche des Wassers hervor. Das Ufer der Insel
ist rund herum vom Meere angenagt. Diese Benagung geht noch
immer fort, und es drängt sich dem Besucher die Überzeugung auf,
daß auch diese Insel dem Untergange geweiht ist. Das Land ist ein
schöner und fruchtbarer Marschboden; aber er kaun nicht bebaut werden,
weil die dem Acker anvertraute Saat keinen Augenblick vor der Flut
sicher wäre.
3. Das erste, was uns beim Beschreiten der Insel auffiel, waren