1901 -
Leipzig
: Hofmann
- Hrsg.: Gehrig, Hermann, ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
B. Bilder aus der heimatlichen Geschichte.
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ganzer Grafschaften erweitert und abgerundet wurden. So kam es,
daß von dem Grund und Boden der heutigen Provinz Hannover nicht
weniger als ein Drittel in den Besitz geistlicher Herren gelangte. —
Geistliche und weltliche Große wachten ängstlich über die erlangten
Vorrechte. Sie verachteten sogar die kaiserliche Gewalt in ihren Ge-
bieten, und als Kaiser Heinrich Iv. das gesunkene Ansehen in Sachsen
wiederherstellen wollte, da betrachteten dies die sächsischen Fürsten als
einen Eingriff in ihre Rechte, erhoben gemeinsam ihre Waffen gegen
den Kaiser, und es entbrannte ein Kampf, der über ein halbes Jahr-
hundert offen und heimlich fortgesetzt wurde. A. Tecklenburg.
30. Heinrich Iy. und die Sachsen.
a. Die Empörung der Sachsen. 1073.
„Alle Berge und Hügel Sachsens und Thüringens bebaute der
König mit festen Schlössern und Burgen und legte Besatzungen hinein.
Weil aber diese nicht genügenden Lebensunterhalt fanden, so erlaubte
er ihnen, von den benachbarten Dörfern und Feldern nach Feindes Art
Beute hinwegzuführen. Auch wurden zur Befestigung der Schlösser die
Bewohner der umliegenden Gegenden selbst gezwungen, so daß sie alles
zum Bau Erforderliche herbeifahren und bei dem Baue selbst wie Knechte
im Schweiße ihres Angesichts Frondienste leisten mußten. Um jedoch
nicht augenscheinlicher Tyrannei geziehen zu werden, wenn er gegen
Unschuldige und gegen seine eigenen Unterthanen mit solcher Grausam-
keit verführe, ermutigte er den Erzbischof von Mainz auf jede nur
mögliche Weise, die Zehnten in Thüringen, wie er es schon vor mehreren
Jahren beabsichtigt hatte, beizutreiben, und er versprach, ihn bei ihrer
Einforderung mit allem Nachdruck zu unterstützen und jene, die dem
Befehle nicht gehorchen wollten, durch seinen königlichen Machtspruch
dazu zu zwingen; jedoch unter der Bedingung, daß der Erzbischof einen
Teil der Zehnten, so groß er der königlichen Herrlichkeit angemessen
sei, dem Könige überlassen sollte.
Schwer lasteten die Besatzungen der königlichen Burgen auf dem
Nacken der Sachsen und Thüringer. Alles, was in den Dörfern und
auf den Feldern sich vorfand, plünderten sie bei täglichen Ausfällen, auch
erpreßten sie unerträgliche Abgaben und Steuern von Wäldern und
Ländereien und trieben häufig unter dem Vorwände des Zehnten ganze
Herden hinweg. Die Bewohner des Landes, und unter ihnen sehr
viele, die von gutem Herkommen und in den besten Vermögensverhält-
nissen waren, nötigten sie, ihnen nach Art niedriger Knechte zu dienen,
ja, sie entführten sogar Frauen und Töchter der Bewohner auf ihre
Burgen. Und wenn dann einer unter so großen Übeln seufzte und
den Schmerz seiner Seele auch nur in leisen Klagen auszusprechen
wagte, so wurde er auf der Stelle in Ketten geworfen, als ob er ein
schweres Unrecht gegen den König begangen hätte, und er konnte nicht
eher wieder loskommen, als bis er durch Dahingabe seiner ganzen Habe
sein Leben und seine Freiheit zurückerkauft hatte. Uud als nun deshalb