1914 -
Langensalza
: Beyer
- Autor: Wagner, Richard, Pottag, Alfred, Fritzsche, W., Hahn, O., Förster, Fr.
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschichte.
I
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durchzog plündernd die Balkanhalbinsel. Danach bekamen die Westgoten
am vdriatischen Meere in unmittelbarer Nähe des weströmischen
Reiches Wohnsitze. Nun faßte Manch den Plan, Italien zu erobern.
Der Kaiser zog sich feige in die uneinnehmbare Festung Ravenna zu-
rück, so daß den Goten der weg nach Rom offen stand. Dreimal er-
schien Manch vor der ewigen Stadt. Das erste Mal verhinderte er
die Zufuhr von Lebensmitteln, so daß die Not in Rom aufs höchste
stieg. Die Römer waren völlig verweichlicht und konnten sich nicht ver-
teidigen. Sie schickten Gesandte an Manch, die darauf hinwiesen, daß
das Volk zum Kampfe entschlossen sei. Da lachte Manch und rief
höhnend aus: „Ze dichter das Gras, um desto leichter das Mähen",
und er erklärte, erst dann abziehen zu wollen, wenn ihm alles Gold
und alle kostbaren Hausgeräte, die in der Stadt seien, ausgeliefert
würden. Die Römer mußten alle Forderungen der Goten erfüllen.
Diese erschienen aber im folgenden Jahre zum zweiten Male, und im
darauf folgenden zum dritten Male vor Rom. Jetzt fiel die Stadt — im
Jahre H so — in ihre Lsände, und sie wurde drei Tage lang geplündert.
Darauf wandte sich Manch nach dem Süden Italiens. Gr wollte
von hier nach Sizilien und vfrika gehen, um dort ein westgotisches
Reich zu gründen; aber plötzlich raffte ihn der Tod hinweg. Groß war
der Schmerz der Seinen. Sie leiteten den Fluß Busento bei der Stadt
Tosenza aus seinem Bette ab und ließen in der Mitte desselben ein
Grab Herrichten. Lsier versenkten sie ihren König mit allen seinen
Schätzen, worauf die wogen wieder in ihr altes Bett geleitet wurden,
(vergl. Platen, Das Grab im Busento.)
Nach Marichs Tode verließen die Westgoten Stallen und wandten
sich nach dem südlichen Gallien, Hier errichteten sie zu beiden Seiten
der Pyrenäen ein Reich, das sich später fast über ganz Spanien aus-
dehnte und dessen Hauptstadt Tolosa (das heutige Toulouse) wurde.
Das Reich der Westgoten war der erste germanische Staat, der auf dein
Gebiete des weströmischen Reiches gegründet wurde.
3. Die Gründung anderer Gernranenreiche ließ nicht lange
mehr auf sich warten. Es entstanden:
a) Das Reich der Vandalen. Die Vandalen hatten früher im
heutigeil Schlesien gewohnt, waren aber nach Gallien und von dort nach
Spanien gezogen, von hier aus gingen sie unter Führung ihres Königs
Geiserich nach Nordafrika hinüber und gründeten das vandalenreich
mit der Hauptstadt Karthago. Sie entwickelteii sich allmählich zu einem
Volke kühner Seeräuber, die mit ihren Schiffen bald eine Gefahr für
das Mittelmeer und seine Küsten wurden. Um die Mitte des fünften
Jahrhunderts erschienen sie sogar in Mstia, dem Hafen Roms, drangen
nach Rom vor, plünderten die Stadt Tage lang und nahmen viele
Kostbarkeiten und Kunstschätze mit.