1914 -
Langensalza
: Beyer
- Autor: Wagner, Richard, Pottag, Alfred, Fritzsche, W., Hahn, O., Förster, Fr.
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschichte.
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wo sich der Kronprinz als „Schulze" und die Kronprinzessin als „gnädige
Frau von Paretz" am wohlsten fühlten. Gern nahm Luise mit ihrem
Gemahl an den Festen der Dorfbewohner teil und erfreute die Kinder
durch allerlei Geschenke.
In dem einfachen Leben des Maares trat kaum eine Veränderung
ein, als Friedrich Wilhelm Iii. \7ty7 den Thron bestieg. Luise schrieb
damals au ihre Großmutter: „Ich bin fetzt Königin, was mich am
meisten freut, ist die Hoffnung, daß ich nun meine Wohltaten nicht so
ängstlich zu zählen brauche." Die Hütten der vrmut auszusuchen und
den Kranken und Notleidenden zu helfen, war schon immer ihre
Lieblingsbeschäftigung gewesen.
Nls f806 der Krieg ausbrach, begleitete die Königin ihren Gemahl
ins Feld. Bald kehrte sie jedoch zurück. Uuterwegs traf sie die Nach-
richt von der Niederlage bei Zena und vuerstedt. Nun konnte sie
nicht länger in Berlin bleiben, sondern mußte nach dem Osten Preußens
fliehen. Tieferschüttert sprach die Königin in jener Zeit zu ihren ältesten
Söhnen: „Ihr seht mich in Tränen; ich beweine den Untergang meines
Hauses; aber begnügt euch nicht mit Tränen allein, sondern handelt und
entwickelt eure Kräfte." Die Reise ging zunächst nach Königsberg.
Lus sich aber die Franzosen dieser Stadt näherten, mußte die königliche
Familie nach Ulemel fliehen. Die Königin war krank, und es herrschte
kaltes Winterwetter; aber sie wollte lieber in Gottes Hand fallen als in
die der Franzosen. Die erste Nacht aus der Flucht mußte sie in einem
Zimmer zubringen, dessen Fenster zerbrochen waren, so daß der Schnee
auf ihr Bett geworfen wurde; aber sie ertrug alle Beschwerden geduldig
und erholte sich wunderbarerweise bald wieder.
Kurz vor dem Friedensschlüsse traf Luise mit Napoleon in Tilsit
zusammen. Sie sollte den stolzen Eroberer bitten, dem besiegten Preußen
einen leidlichen Frieden zu gewähren. Der Gang wurde ihr sehr schwer,
aber sie brachte ihren: Lande dieses Opfer, während der Unterhaltung
fragte der französische Kaiser u. a.: „Über wie konnten Sie es wagen,
mit nur Krieg anzufangen?" worauf die Königin antwortete: „Dem
Ruhme Friedrichs war es erlaubt, uns über unsere Kräfte zu täuschen,
wenn anders wir uns getäuscht haben." Leider hatte diese Unterredung
nicht die erhoffte Wirkung; denn Preußen wurde hart getroffen. Zn dieser
schweren Zeit verlor die Königin keinen Augenblick den Glauben an eine
bessere Zukunft, und sie schloß sich daher von ganzen: Herzen den Männern
an, die, wie Stein, Scharnhorst u. a., diese herbeizuführen suchten.
Groß war ihre Freude, als sie gegen Ende des Zahres J8o9 nach
Berlin zurückkehren konnte. Im nächsten Jahre sollte für sie ein lang-
gehegter Wunsch in Erfüllung gehen; sie durfte ihren Vater in Mecklen-
burg besuchen, von den Ihrigen mit Freude empfangen, kam sie in
Strelitz an. Bald fuhr man nach dem Lustschlosse Hohen-Zieritz.