1908 -
Schleswig
: Bergas
- Hrsg.: Warnecke, Johannes, Debus, Gustav, Kruse, Otto, Finckh, Karl
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Taubstummenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Taubstummenschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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30. Friedrich Wilhelm 1. <1713—1740)
1. Friedrich Wilhelm I. war ein sehr sparsamer Fürst. Stets trug er
den einfachen Soldatenroch und seine Töchter mußten ihre Kleider meistens
selbst verfertigen. Er aß gewöhnliche Hausmannskost und saß aus hölzernem
Schemel. Von den 100 Hofbeamten seines Vaters behielt er nur 12; die
übrigen entließ er. Auch verkaufte er die prächtigen Wagen und Pferde,
die goldenen und silbernen Geschirre seines Vaters, um die Schulden zu
bezahlen. Jeden Sonntag ging die königliche Familie zur Kirche. An den
Werktagen arbeitete der pflichttreue König von früh bis spät. Er verlangte
aber auch, daß seine Beamten ihre Pflicht taten. Wehe dem, der sich etwas
zu schulden kommen ließ! Einmal erfuhr der König, daß der Torschreiber
in Potsdam morgens lange schlief. Die Bauern, die in die Stadt zu Markte
wollten, mußten oft lange warten, bis das Tor geöffnet wurde. Da ging
Friedrich Wilhem 1. selbst hin und prügelte den Langschläfer mit den Worten:
„Guten Morgen, Herr Torschreiber!" aus dem Bette heraus.
2. Da viele Kinder damals noch unwissend blieben, gründete Friedrich
Wilhelm I. etwa 1800 Schulen. Auf seinen Befehl mußten die Schüler
im Christentum, Lesen, Schreiben und Rechnen unterrichtet werden. Einst
besuchte der König eine Dorfschule. Als er hierbei bemerkte, daß ein kleiner
Knabe flott rechnen konnte, schenkte er ihm zwei Gulden und schickte ihn ans
eine gute Stadtschule.
3. Eine große Vorliebe hatte Friedrich Wilhelm I. für die Soldaten,
die er seine „lieben blauen Kinder" nannte. Er vergrößerte sein Heer be-
deutend, und ließ die Soldaten tüchtig exerzieren. Es herrschte strenge Zucht;
fast für jedes Vergehen gab es Stockprügel. In Potsdam bestand ein
Regiment aus 2400 Riesen. Von diesen war der Flügelmann 2,57 m groß.
Diese „langen Kerle" hatte der König besonders gern.
4. Es machte dem König viel Vergnügen, jeden Abend eine Anzahl'
von Generälen und Ministern um sich zu versammeln. Diese Gesellschaft
nannte man das Tabakskolleginm. Da wurde nämlich eine Pfeife Tabak
geraucht, Bier getrunken, Butterbrot gegessen, und man erzählte allerlei Ge-
schichten und Späße.
5. Im Jahre 1740 starb Friedrich Wilhelm I. Er hinterließ seinem
Nachfolger ein gut geübtes Heer und einen reichen Staatsschatz.
31. Friedrich Ii., der Große. (1740—1786)
1. Friedrich der Große wurde im Jahre 1712 zu Berlin geboren und
streng erzogen. Sein Vater wünschte, daß er ein tüchtiger Soldat werde.
Deshalb waren seine ersten Spielsachen Flinte, Säbel und Trommel. In
seinem achten Jahre exerzierte der Kronprinz häufig mit einem kleinen Gewehr.
Als er zehn Jahre alt war, mußte er trotz Wind und Wetter als gemeiner
Soldat vor dem Schlosse Schildwache stehen. Der Kronprinz hatte aber
keine Lusl zum Exerzieren. Am liebsten las er französische Bücher oder blies
die Flöte. Hierüber wurde der Vater sehr böse; denn er fürchtete, sein Sohn
werde niemals ein rechter Soldat werden. Er schalt ihn deshalb und sagte:
„Fritz ist ein Qnerpfeifer und Federfuchser; er macht sich nichts aus den