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1. Realienbuch für Taubstummen-Anstalten - S. 45

1908 - Schleswig : Bergas
45 Mitte. War eines krank, so pflegte er es, und groß war seine Freude, wenn es wieder gesund war. Er betete mit ihnen und lehrte sie auch »och im Bette, wenn sie es wünschten. Alles, was den Kindern an Leib und Seele Gutes geschah, kam von Pestalozzi; er war ihnen Vater und Mutter, Anf- seher und Krankenwärter, Lehrer und Erzieher. 3. Pestalozzis Bemühungen hatten guten Erfolg. Nach einigen Monaten kannte man die Kinder kaum wieder; ihre Gesichtsfarbe war blühend geworden und fröhliche Lebenslust strahlte aus ihren Augen. Im Unterricht lernten sie so eifrig, daß Pestalozzi selbst sich wundern mußte. Die Kinder hingen mit großer Liebe an ihrem Pflegevater; alles, was sie ihm von den Augen absehen konnten, taten sie mit Freuden. Sie liebten einander aber auch wie Geschwister und halfen sich gegenseitig, wo sie nur konnten: von Zank und Streit war nichts zu hören. Als einmal in der Nähe von Stanz ein ganzes Dorf abbrannte, sagte Pestalozzi zu seinen Pflegekindern: „Wie wäre es, wenn wir 20 der armen, obdachlos gewordenen Kinder zu uns nähmen? Ihr müßtet dann allerdings euer Brot mit ihnen teilen." Da riefen alle: „Laß sie kommen!" und jubelten vor Freude. Sie hatten in Pestalozzis Schule gelernt, daß Geben seliger ist als Nehmen. 4. Doch es fehlte Pestalozzi auch nicht an Enttäuschungen. Unter seinen Zöglingen gab es auch solche, die nicht gehorchen wollten und die wegliefen, wenn sie bestraft wurden, Auch nicht alle Eltern waren ihm dankbar. Einige scheuten sich nicht, von Pestalozzi Vergütung zu fordern; sie sagten: „Wir haben viel Schaden, wenn wir unsere Kinder beim Betteln nicht bei uns haben." Andre warteten ab, bis ihre Kinder mit neuen Kleidern aus- gestattet waren; dann aber nahmen sie sie ohne weiteres aus der Anstalt weg und hielten sie wieder zum Betteln an. 5. Leider wurde das ehemalige Kloster, in dem Pestalozzis Armen- anstalt war, schon nach fünf Monaten zu einem Lazarett eingerichtet. Da kein andres Gebäude zur Verfügung stand, war Vater Pestalozzi gezwungen, seine Anstalt aufzulösen. Mit schwerem Herzen und Tränen in den Angen nahm er im Jahre 1799 Abschied von den Kindern, die er so lieb gewonnen hatte, und die er nun wieder verlassen mußte. Schon vor seiner Wirksamkeit in Stanz hatte er durch seine Fürsorge für Bettelkinder sein ganzes Vermögen verloren; er war selbst bettelarm geworden und hatte oft weder Brot noch Holz gehabt, um sich vor Hunger und Kälte zu schützen. Nun hatte ihn von neuem ein schwerer Schicksalsschlag getroffen. Doch nichts konnte ihm seine unerschöpfliche Liebe rauben. Mit unermüdlichem Eifer gründete Pestalozzi später noch mehrere Anstalten in der Schweiz und widmete sein ganzes Leben der Erziehung der Jugend. Eine der Anstalten war zu Averdon, wo jetzt (wie unser Bild zeigt) ein schönes Pestalozzi- Denkmal steht. 6. Der große Kinderfrennd wurde von vielen seiner Zeitgenossen hoch geehrt. Die Königin Luise schrieb in ihr Tagebuch: „Wäre ich mein eigner Herr, so setzte ich mich in einen Wagen und rollte zu Pestalozzi in die Schweiz, um dem edlen Manne mit Tränen in den Angen und mit einem Händedruck zu danken. Wie gut meint er es mit der Menschheit! Ja, in der Menschheit Namen danke ich ihm."
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