1899 -
Schleswig
: Bergas
- Hrsg.: Warnecke, Johannes, Debus, Gustav, Kruse, Otto, Finckh, Karl
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Taubstummenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Taubstummenschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Lage befreit zu werden. Eine solche Antwort entsprach aber oft nicht der
Wahrheit. Widerrief der Gefolterte hernach das abgepreßte Geständnis, so
wurde er nochmals gefoltert und zwar wieder solange, bis er die erwünschte
Antwort von neuem gab. Dann aber wurde er gerichtet. — Es dauerte lange,
bis man zu der Erkenntnis kam, daß man durch die Folter die Wahrheit nicht
sicher ergründen könne. In einigen Teilen Deutschlands wurde sie erst am
Ansauge des 19. Jahrhunderts abgeschafft.
4. In früheren Zeiten war mau fest überzeugt, daß Gott dem Un-
schuldigen stets helfen würde. Mau brachte darum die Gegner in eine Lage,
in welcher man — wie man glaubte — deutlich sehen konnte, wie Gott das
Urteil fällte. Das Gottesurteil wurde auf verschiedene Weise heraus-
gefordert. Beim Zweikampf wurden Klüger und Beklagter einander bewaffnet
gegenübergestellt; sie mußten solange kämpfen, bis einer von ihnen besiegt war.
Der Besiegte war nach Meinung des Volkes derjenige, welchen Gott selbst als
schuldig bezeichnet hatte; sein Leben war deshalb entweder dem Schwerte des
Siegers oder dem Beile des Richters verfallen. Bei der Kreuzprobe mußten die
beiden Gegner mit ausgestreckten Armen vor einem Kreuze stehen; wer dies am
längsten aushalten konnte, galt für schuldlos. Für schuldlos galt ferner, wer
seine Hand eine Zeitlang ins Feuer halten, wer aus kochendem Wasser einen Ring
mit bloßem Arme herausholen, wer glühendes Eisen in bloßer Hand neun Schritte
weit tragen und wer barfuß über glühende Kohlen gehen konnte, ohne sich
Schaden zu thun. Häufig mußten Klüger und Beklagter auch miteinander
losen; wer das Glückslos zog, war der Unschuldige.
5. Damals glaubte man noch an Hexen. Das waren nach Ansicht
der Leute nieist alte Weiber, welche mit dem Teufel im Bunde waren und
darum viel Böses anrichteten. War schlechtes Wetter oder Mißwachs, fehlte
den Kühen die Milch oder wurden sie krank, hatte jemand große Schmerzen
oder starb er gar, so sagte das Volk jedesmal, das habe eine Hexe gethan.
Man suchte deshalb sofort nach einer solchen, um sie zu bestrafen. War nun
ein altes Mütterchen so übel daran, eine stark gebogene Nase oder gerötete
Augenlider zu haben, so war es sicher verloren. Gestand es seine vermeintliche
Schuld nicht ein, so kamen die Folter oder das Gottesurteil in Anwendung.
Im letzteren Fall legte man der Angeklagten einen Strick uni den Leib und
warf sie ins Wasser; sank sie unter, so war sie unschuldig, schwamm sie aber
oben, so war sie überführt. Die Überführte wurde gewöhnlich unter großem
Zulanfe des Volkes auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Solches geschah
noch am Ende des 18. Jahrhunderts. Viele tausend Unschuldige kamen auf
diese Weise ums Leben.
18. Die Erfindung des Schießpulvers. (1340)
Zu Freiburg in Baden lebte im Jahre 1340 ein Mönch, der hieß
Bert hold Schwarz. Dieser wollte Gold machen. Er stampfte deshalb
Holzkohle, Schwefel und Salpeter in einem Mörser zu Staub uiib legte einen
Stein darauf. Als er abends mit einem Stahle Feuer anschlug, siel zufällig
ein Funke in den Mörser. Da blitzte und knallte es, und der Stein flog
vom Mörser an die Decke. Der Mönch erschrak und zitterte au allen Gliedern.
Er wiederholte jedoch den Versuch im Freien und bemerkte nun zum zweiteu-
Gcschichte. 9