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1. Realienbuch für Taubstummen-Anstalten - S. 45

1899 - Schleswig : Bergas
45 sie auch noch im Bette, wenn sie es wünschten. Er führte den wechselseitigen Unterricht ein; wußte eines der Kinder mehr als die anderen, so setzte es sich zwischen diese und unterwies sie. Alles, was den Kindern cut Leib und Seele Gutes geschah, kam von Pestalozzi; er war ihnen Vater und Mutter, Aufseher und Krankenwärter, Lehrer und Erzieher. 3. Pestalozzis Bemühungen hatten guten Erfolg. Nach einigen Monaten kannte man die Kinder kaum wieder; ihre Gesichtsfarbe war blühend geworden und fröhliche Lebenslust strahlte aus ihren Augen. Im Unterrichte lernten sie so eifrig, daß Pestalozzi selbst sich Wundern mußte. Die Kinder hingen mit großer Liebe an ihrem Pflegevater; alles, was sie ihm an den Augen absehen konnten, thaten sie mit Freuden. Sie liebten aber anch wie Geschwister einander und halfen sich gegenseitig, wo sie nur konnten; von Zank und Streit war nichts zu hören. Als einmal in der Nähe von Stanz ein ganzes Dorf abbrannte, sagte Pestalozzi zu seinen Pflegekiuderu: „Wie wäre es, wenn wir 20 der armen, obdachlos gewordenen Kinder zu uns nähmen? Ihr müßtet dann allerdings euer Brot mit ihnen teilen." Da riefen alle: „Laß sie kommen!" und jubelten vor Freude. Sie hatten in Pestalozzis Schule gelernt, daß Geben seliger ist als Nehmen. 4. Doch, es fehlte Pestalozzi auch uicht an Enttäuschungen. Unter seinen Zöglingen gab es auch solche, die nicht gehorchen wollten und die wegliefen, wenn sie bestraft wurden, Auch nicht alle Eltern waren ihm dankbar. Einige scheuten sich uicht, von Pestalozzi Vergütung zu fordern; sie sagten: „Wir haben viel Schaden, wenn wir unsere Kinder beim Betteln nicht bei lins haben." Andere warteteil ab, bis ihre Kinder mit neiien Kleidern ausgestattet waren; dann aber nahmen sie sie ohne weiteres aus der Anstalt weg und hielten sie wieder zum Betteln au. 5. Leider wurde das ehemalige Kloster, in welchem Pestalozzis Armen- anstalt war, scholl nach fünf Monaten zu einem Lazarette eingerichtet. Da kein anderes Gebäude zur Verfügung stand, war Vater Pestalozzi gezwungen, seine Anstalt aufzulösen. Mit schwerem Herzen und Thränen tu den Augen nahm er im Jahre 1799 Abschied von den Kindern, die er so lieb gewonnen hatte, uild die er nun wieder verlassen mußte. Schon vor seiner Wirksamkeit in Stanz hatte er durch seine Fürsorge für Bettelkiuder sein gailzes Vermögen verloren; er war selbst bettelarm geworden und hatte oft weder Brot noch Holz gehabt, um sich vor Hunger lind Kälte zu schützen. Nun hatte ihn von neuem ein schwerer Schicksalsschlag getroffen. Doch nichts konnte ihm seine unerschöpfliche Liebe rauben. Mit unermüdlichem Eifer gründete Pestalozzi später noch mehrere Anstalten in der Schweiz und widmete sein ganzes Leben der Erziehung der Jugend. Eine der Anstalten war zu Iverdon, woselbst jetzt (wie uuser Bild zeigt) ein schöiles Pestalozzi- Denkmal steht. 6. Der große Kinderfreund wurde vou vielen seiner Zeitgenossen hoch geehrt. Die Königin Luise schrieb in ihr Tagebuch: „Wäre ich mein eigener Herr, so setzte ich mich in einen Wagen und rollte zu Pestalozzi in die Schweiz, um dem edlen Manne mit Thränen in den Angen uild mit einem Händedruck zu danken. Wie gut meint er es mit der Menschheit! Ja, in der Menschheit Namen danke ich ihm."
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