1899 -
Schleswig
: Bergas
- Hrsg.: Warnecke, Johannes, Debus, Gustav, Kruse, Otto, Finckh, Karl
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Taubstummenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Taubstummenschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Anhcrng
1. Die Taubstummen in ihrer Verlassenheit.
In früheren Zeiten glaubte man, es sei unmöglich, Taubstumme zu
unterrichten und zu erziehen. Die taubstummen Kinder wuchsen darum ohne
Unterricht und ohne Erziehung auf. Sie lernten weder lesen, noch schreiben,
noch rechnen; sie erfuhren nichts von unserem schönen Vaterlande und seinen
Fürsten, nichts von Gott und seinem Sohne Jesus Christus. Ihr Geist
blieb mit Finsternis umhüllet und ihr Körper meist schwach und ungeschickt.
Infolgedessen konnten die Taubstummen häufig kein Handwerk erlernen und
sich oft nicht selbst ernähren; bis zu ihrem Tode waren sie meist auf das Mitleid
ihrer hörenden Mitmenschen angewiesen. Das war höchst betrübend, und
manche Mutter weinte bittere Thränen über ihr verlassenes taubstummes Kind.
Im vorigen Jahrhunderte lebten jedoch zwei Männer, welche der Welt zeigten,
daß es möglich sei, die Taubstummen zu unterrichten und sie zu nützlichen
Gliedern der menschlichen Gesellschaft und zu Himmelsbürgern heranzubilden.
Diese Männer waren der Franzose Abbé de l’Epée und der Deutsche Samuel
Heinicke. Sie sind die größten Wohlthäter der Taubstummen geworden.
2. Abbé de l’Epée,
der Gründer der ersten Taubstummen-Anstalt. (1770)
1. De l’Epée wurde im Jahre 1712 zu Versailles geboren. Seine
Eltern waren begüterte Leute. Weil er ein frommes Herz hatte, wurde er
ein katholischer Priester oder ein Abbé. Später legte er sein Amt nieder
und lebte in Paris von den Zinsen seines Vermögens. Daselbst kam er
einmal zufällig in das Haus einer Frau, welche zwei taubstumme Töchter
hatte. Die Mutter klagte de l’Epée, daß ihren Kindern niemand helfen
könne. Als dieser darüber nachdachte, wie traurig es sei, ohne Religion
leben und sterben zu müssen, wurde sein mitleidiges Herz aufs tiefste bewegt.
Er entschloß sich deshalb, sein Leben den verlassenen Taub-
stummen zu widmen. Mit Hülfe der Gebärde versuchte er, die beiden
taubstummen Mädchen zu unterrichten, und siehe da, der Unterricht gelang!
Die Kinder lernten nicht nur schreiben, lesen und rechnen, sondern auch Gottes
Wort verstehen. Über diesen Erfolg war der edle Mann hoch erfreut.
2. Abbé de l’Epée wünschte aber, daß nicht nur einzelnen, sondern
möglichst vielen Taubstummen geholfen werde. Deshalb gründete er im
Jahre 17 70 eine Anstalt für Taubstumme zu Paris. Da eine
solche vorher nirgends bestand, war dies die allererste Taubstummen-Anstalt.
De l’Epée unterhielt diese anfangs fast ganz auf seine eigenen Kosten; erst
später bekam er vom Könige von Frankreich eine Unterstützung.
3. Abbé de l’Epée hing mit großer Liebe an seinen taubstummen
Zöglingen und sorgte wie ein Vater für sie. Unermüdlich unterrichtete er
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