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1. Realienbuch für Taubstummen-Anstalten - S. 3

1899 - Schleswig : Bergas
3 Wenn er auf dem Felde war, nahm er oftmals ein Buch aus der Tasche und las eifrig darin. Darüber ärgerte sich sein Vater und schalt ihn tüchtig aus. Deshalb entfloh Heinicke in seinem 21. Lebensjahre nach Dresden und wurde Soldat. In seinen Freistunden bildete er sich im Schreiben und Rechnen weiter aus; auch erlernte er die französische und lateinische Sprache. Um seine geringe Einnahme zu erhöhen, erteilte er Privatstunden. In diese wurde ihm ein taubstummer Knabe gebracht, welchen er zuerst nur im Schreiben unterwies. Spater versuchte er, ihn auch im Sprechen zu unterrichten, und siehe da, der Versuch gelang! Als bald darauf der siebenjährige Krieg ausbrach, mußte Heinicke seine unterrichtliche Thätigkeit aufgeben und mit ins Feld ziehen. Bei Pirna wurde er von den Preußen gefangen genommen. Es gelang ihm jedoch, nach Hamburg zu entfliehen. Hier wurde er Vorleser bei einer Gräfin und später Lehrer in dem benachbarten Eppendorf. 3. In Eppendorf bei Hamburg unterrichtete Heinicke neben seinen hörenden Schülern auch einige taubstumme. Er wiederholte den Ver- such, letztere sprechen und absehen zu lehren, und derselbe gelang zu Heinickes Freude zum zweitenmale. Der Pastor zu Eppendorf aber war hierüber sehr erzürnt; er verkündigte von der Kanzel herab, man dürfe Taubstumme nicht im Sprechen unterrichten, Gott selbst wünsche es, daß sie stumm blieben. Heinicke ließ sich jedoch dadurch nicht beirren, sondern arbeitete ruhig weiter. Als dann mit einem seiner taubstummen Zöglinge eine Prüfung abgehalten wurde, siel diese so gut aus, daß der Eppendorfer Pastor von nun an Heinicke in Ruhe ließ, ja sich bereit erklärte, den Taubstummen zu konfirmieren. Dies erregte in den Nachbarstädten Hamburg und Altona großes Aufsehen. Auch der Kurfürst von Sachsen hörte von Heinickes gesegneter Wirksamkeit und berief ihn deshalb in seine Heimat zurück. Heinicke folgte dem Rufe und gründete im Jahre 1 7 78 zu Leipzig eine Anstalt mit neun taubstummen Schülern. Diese Tanbstnmmen-Anstalt war die erste in Deutschland. 4. Heinicke war seinen Schülern von Herzen zugethan und unterrichtete sie mit großem Fleiße. Er wünschte vor allem, daß sie leicht und rasch mit ihren hörenden Mitmenschen verkehren lernten. Deshalb war er eifrig bemüht, den Taubstummen die Lautsprache zu geben und sie gut absehen zu lehren. Seine Arbeit wurde weit und breit bewundert. Denn Jahrtausende lang hatte der Mund der Taubstummen geschwiegen; nun aber redete derselbe. 5. Heinicke starb im Jahre 1790 zu Leipzig. Seinem Vorbilde folgten allmählich immer mehr Taubstummenlehrer nach. Gegenwärtig werden nicht nur die Taubstummen Deutschlands, sondern auch die meisten Frankreichs und anderer Länder in der Lautsprache unterrichtet. Es bestehen zur Zeit iu Deutschland etwa 100, auf der ganzen Erde etwa 400 Taubstummen-Anstalten. Dankbare Taubstumme haben dem Gründer der ersten deutschen Taubstummen- Anstalt nicht nur in Leipzig, sondern auch in Eppendorf ein schönes Denkmal setzen lassen.
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