1902 -
Leipzig
: Hofmann
- Autor: Polack, Friedrich
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Bürgerschule, Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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I
hatte er eine offene Hand. Wie uneigennützig und redlich er war, das drückte
das Volk dadurch aus, daß es von manchem seiner Nachfolger sagte: „Der
hat Rudolfs Ehrlichkeit nicht!"
5. Sein Ende. Die Wahl seines Sohnes Albrecht zum Kaiser konnte
Rudolf auf einem Reichstage zu Frankfurt nicht durchsetzen. Gekränkt reiste
er ab. Auf der Reise erkrankte er, und als ihm die Ärzte nur noch wenige
Tage Lebensfrist gaben, rief er: „Auf nach Speier, wo viele meiner Vor-
gänger begraben liegen!" Auf dem Wege starb er, ward im Dome begraben
und feine Gestalt in Lebensgröße auf dem marmornen Grabsteine abgebildet.
irr. Die Anhaltiner (Askanier) in der Mark Brandenburg
(1134—1319).
1. Die Bewohner der Mark. Zwischen Elbe und Oder, in dem Ge-
biet der Havel und Spree, wohnten ursprünglich Semnonen und Langobarden.
Der Strom der Völkerwanderung führte sie nach Westen; in ihre verlassenen
Wohnsitze rückten von Osten die Wenden, die zur großen slavischen
Völkerfamilie im Osten Europas gehörten. Sie waren mittelgroß, gedrungen
aber kräftig, braungelb mit dunkeln Augen und braunen Haaren. In Tempeln
und heiligen Hainen standen ihre unförmlichen Götzenbilder. Sie opferten
ihnen Früchte, Tiere und Kriegsgefangene. Die Priester wurden als Seher
und Vertraute der Götter hochgeehrt. Die Hauptbeschäftigungen der Wenden
waren Jagd, Fischerei, Viehzucht und Ackerbau; einzelne Gewerke, z. B.
Weberei, wurden fleißig betrieben. An der Ostsee, z. B. in Wineta, ent-
wickelte sich auch schon ein reger Handel. Die Wenden liebten die gemein-
samen Ansiedlungen in den Niederungen und schirmten ihre Flecken durch
Burgen oder Garts. Die Frauen wurden wie die Sklavinnen behandelt;
die lebensmüden Eltern ließen sich oft von ihren Kindern töten. Sonst
waren die Wenden gastfrei und nüchtern, ehrlich und einfach.
2. Die ältesten Zeiten. Als die Wenden beständig räuberische Ein-
fälle westlich von der Elbe unternahmen, besiegte sie Karl der Große,
gründete Grenzfesten und setzte Markgrafen ein. In den folgenden traurigen
Zeiten wurden alle Anfänge der Kultur wieder verwischt. Heinrich I. schlug
die Wenden, eroberte Brandenburg (928) und dehnte seine Herrschaft bis
an die Oder aus. Otto I. setzte Gero als Markgrafen der Nordmark
ein. Dieser unterwarf die Wenden mit dem Schwerte, während von den
Bistümern Brandenburg und Havelberg die Bekehrung zum Christen-
tume versucht wurde. Nicht selten wurden die Wenden durch Härte zur
Empörung getrieben und vernichteten alle Spuren der deutschen und christ-
lichen Kultur. Im Jahre 1134 wurde Albrecht der Bär vom Kaiser Lothar
mit der Nordmark belehnt. Er ist der Gründer der Mark Brandenburg,
die den Anfang des preußischen Staates bildet.
3. Albrechts Verdienste. Albrecht der Bär von Ballenstedt, aus
dem Hause Anhalt oder Askanien, überzog die Wenden mit Krieg, eroberte das
Land bis an die Oder, gewann Brandenburg und die Mittelmark und nannte
sich fortan Markgraf von Brandenburg. Innere und äußere Unruhen
schlug er mit starker Hand nieder. In das verödete und verwüstete Land zog er
deutsche und holländische Ansiedler, um es zu kultivieren. Sie machten öde
Strecken urbar, entwässerten Sümpfe, dämmten Flüsse ein, gründeten Dörfer
und Städte und förderten den Gewerbefleiß. Aber auch dem Christentume
gewann Albrecht die Mark Brandenburg, indem er Kirchen und Klöster baute
und durch Mönche und Geistliche das Volk unterweisen und taufen ließ. Von