1902 -
Leipzig
: Hofmann
- Autor: Polack, Friedrich
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Bürgerschule, Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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Gottes Ehre und das Wohl der Kirche im Auge gehabt habe". Zwei Jahre
später raffte ein plötzlicher Tod Bernhard von Weimar hinweg, und
Frankreich nahm sein Heer und seine Eroberungen in Besitz. Unter den schwe-
dischen Heerführern machte sich besonders Torstensson furchtbar. In seinem
siechen Körper, der immer in der Sanfte getragen wurde, wohnte ein feuriger,
rastlos thätiger Geist. Siegreich durchflog er Deutschland von einem Ende
zum andern, und zweimal zitterte Wien vor ihm. Über Bayern schwang der
französische General Türen ne die Geißel, und namenlose Leiden sah der alte
Maximilian sein Volk erdulden. In Böhmen hauste der Schwede Königs-
mark. Schon hatte er die Kleinseite Prags eingenommen und überschüttete
die Stadt mit glühenden Kugeln. Da erscholl aus Münster und Osnabrück
nach langen Unterhandlungen das ersehnte Wort: Friede! —
6. Der westfälische Friede (1648) enthielt folgende Hauptbestimmungen:
Die Evangelischen erhielten gleiche Rechte mit den Katholischeil. Der Besitz
der Kirchengüter wurde nach dem Besitzstände des Jahres 1624 geregelt. Die
Reichsfürsten wurden fast unabhängig, und der Kaiser behielt nur einen
Schatten von Macht. Schweden bekam außer 15 Millionen Thalern Kriegs-
kosten den größten Teil von Pommern, Frankreich den größten Teil vom
Elsaß, Brandenburg Hinterpommern und die Bistümer Magdeburg,
Halberstadt, Miuden und Kammin, Sachsen die Lausitz, Bayern die Ober-
pfalz, ein Sohn des Winterkönigs die Unterpfalz mit einer achten Kur-
würde. Friede war's, doch der Friede eines Friedhofs! Deutschland war
stellenweise zur Wüste gewordeu. Viele Städte und Dörfer waren von der
Erde verschwunden oder menschenleer, die Bevölkerung durch Schwert, Hunger
und Seuchen auf die Hälfte zusammengeschmolzeu, Wohlstand, Handel und
Gewerbe vernichtet, Kunst und Wissenschaft gelähmt. Zum Landbau fehlten
Saatkorn, Zugvieh und Menschenhände. Aus deu verwilderten Soldaten-
horden bildeten sich Räuberbanden. Unglauben, Aberglauben und Laster aller
Art waren grausig gewachsen, alte edlen Sitten verfallen. Das waren die
Früchte des Religionskrieges!
21. Der große Kurfürst Friedrich Wilhelm
von Brandenburg, der Schöpfer des preußischen Staates
(1640—1688).
1. Der sittenstrenge Jüngling. Als siebenjähriger Knabe wurde
Friedrich Wilhelm vor den Kriegsstürmen nach Küstrin geflüchtet und dort er-
zogen. Später reiste er zu seiner Ausbildung nach Holland. Hier hatte er
an dem weisen und tapfern Statthalter von Oranien das Vorbild eines
guten Regenten und an den fleißigen Holländern das Muster glücklicher
llnterthanen. Er nahm sich vor, sein Land und Volk ebenso mächtig und
glücklich zu machen. Als man ihn im Haag zu Ausschweifungen verleiten
wollte, floh er ins Feldlager zu Oranien und äußerte dabei: „Ich bin es
meinen Eltern, meinem Lande und meiner Ehre schuldig." Oranien klopfte
ihm auf die Schulter und sagte: „Eure Flucht ist heldenmütiger, als wenn
ich diese Festung eroberte. Vetter, ihr habt das gethan, ihr werdet mehr
thun; denn wer sich selbst besiegt, ist großer Thaten fähig."
2. Der entschlossene Regent. Sein Regierungsantritt erfolgte in
seinem 20. Jahre unter den traurigsten Umständen. Sein verwüstetes Land
hielten die Schweden zum Teil besetzt; die Truppen hatten dem Kaiser Treue
geschworen, und die Regierungsgewalt hatte der Minister Schwarzenberg
Polack, Geschichtsbilder. 5