1902 -
Leipzig
: Hofmann
- Autor: Polack, Friedrich
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Bürgerschule, Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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Ludwig Xviii. auf den französischen Thron zurück. Frankreich wurde auf
die Grenzen von 1792 beschränkt und gab von den geraubten Kunstschätzen
nur die Viktoria vom Brandenburger Thore in Berlin wieder heraus.
11. Die Schlacht bei Waterloo (18. Juni 1815). In Wien kamen
die Fürsten und Gesandten auf einem Kongreß zusammen, um die Verhält-
nisse Europas neu zu ordnen. Das war eine mühsame und langsame Arbeit,
die zu allerlei Mißhelligkeiten führte. Wie ein Fuchs auf der Lauer beob-
achtete Napoleon die wachsende Zwietracht unter den Fürsten und die
steigende Unzufriedenheit in Frankreich. Plötzlich verließ er Elba, landete
in Südfrankreich und prahlte: „Mein Adler wird von Turm zu Turm
fliegen und sich in Paris niederlassen!" Wirklich sielen ihm Volk und Heer
jubelnd zu. Ludwig Xviii. floh, und Napoleon zog in Paris ein, wieder
Kaiser auf 100 Tage. Die neue Gefahr machte die Fürsten rasch einig.
Sie brachten die Teilung zu Ende — zum großen Nachteil für Preußen —,
thaten Napoleon in die „Acht Europas" und sandten den Engländer
Wellington und den alten Blücher gegen ihn. Blücher wurde am
16. Juni 1815 bei Ligny (Linji) in Belgien mit Übermacht angegriffen,
besiegt und fast von seinem stürzenden Rosse erdrückt. Sein Adjutant No st iz
rettete den greisen Helden.
Nachdem Napoleon einem General befohlen, „die Preußen in den Rhein
zu werfen", stürzte er sich mit furchtbarer Wucht auf die Engländer bei
Waterloo und Belle-Alliance (Bäl-Alliangs). Aber wie eine Mauer
aus Eisen standen die wackern Soldaten. Ihr Feldherr Wellington saß
unter einem Baume auf einem Hügel, entschlossen zu siegen oder zu sterben.
Blücher hatte ihm versprochen, „mit der ganzen Armee zu Hilfe zu kommen".
Aber strömender Regen und grundlose Wege hemmten den Marsch. Zwar
scherzte Blücher: „Das sind unsere Verbündeten von der Katzbach, die dem
Könige das Pulver ersparen!" und sprengte rastlos hin und her, aber endlich
erklärten die Soldaten: „Es geht unmöglich weiter!" „Kinder," rief der
alte Degen, „wir müssen vorwärts, ich hab's ja meinem Bruder Wellington
versprochen, und ihr wollt doch nicht, daß ich wortbrüchig werden soll!"
Inzwischen wurden die englischen Linien immer dünner und die französischen
Stöße immer heftiger. „Ich wollte, es wäre Abend, oder Blücher käme!"
seufzte Wellington. Da donnerten die ersten preußischen Kanonen ihren
Gruß. Ein letzter verzweifelter Kampf entspann sich, endete aber mit der
wildesten Flucht der Franzosen. Wie Wild hetzte sie Gneisenau im bleichen
Mondenschimmer. Napoleon rettete sich nur durch einen Sprung aus dem
Wagen. Unermeßliche Beute fanden die Sieger. Paris wurde zum zweiten-
mal eingenommen und jetzt härter angefaßt. Napoleon ergab sich den Eng-
ländern und ward auf die einsame Felseninsel St. Helena verbannt, wo
er 1821 am Magenkrebs starb. —
12. Im Frieden ruhte die erschöpfte Welt von den endlosen Kriegen
aus und suchte die geschlagenen Wunden zu heilen. Ackerbau, Handel, Ge-
werbe und geistiges Leben blühten auf. Neue Straßen wurden angelegt und
die Post erweitert und verbessert. Das erste Dampfschiff pflügte 1825 den
grünen Rhein; zehn Jahre später wurde die erste Eisenbahn zwischen Nürn-
berg und Fürth gebaut. Überall entstanden Fabriken mit Dampfmaschinen.
Drepse in Sömmerda erfand das Zündnadelgewehr, Kämmerer die
Streichzündhölzchen, ein Amerikaner die Nähmaschinen, Gauß und Weber
in Göttingen den Telegraphen oder Fernschreiber. Städte und Dörfer
blühten auf. Das Volk wurde in den Schulen immer besser unterrichtet