1902 -
Leipzig
: Hofmann
- Autor: Polack, Friedrich
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Bürgerschule, Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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hinein. Die Blüten sind bräunliche Glocken mit 5 Staubgefäßen und einem
Stempel; sie sitzen in fünfzähnigen, bleibenden Kelchen. Zu ihrem Schutze
hängen die Blüten gestürzt. Die verwandte Kartoffel dagegen faltet nach-
mittags die Blüten zusammen, krümmt die Blüteustiele und giebt dadurch
den Blüten auch eine gestürzte Lage. Am Morgen strecken sich die Stiele,
heben und öffnen sich die Blüten. Als Schutz gegen Eindringlinge dienen am
Grunde der Staubblätter Haarslocken, welche die Honigdrüsen zudecken.
Während der Befruchtung bewegt sich der Stempel aus der Mitte nach der
Kronenwand, die Staubbeutel aber von der Wand nach der Mitte. Die Narbe
des Stempels ist klebrig und hält die Staubkörnchen fest. Diese treiben sofort
Schläuche in den Fruchtknoten. Schon nach einer Stunde bräunt sich die Narbe
und welkt, der Griffel aber löst sich vom Fruchtknoten. Die glänzend schwarzen
Beeren sehen wie Schwarzkirschen aus und sitzen
geschützt im Kelche. — 3. Die Tollkirsche wächst
in schattigen Bergwäldern meist in Gesellschaft;
Blüten und Früchte finden sich oft gleichzeitig
auf einer Staude. — 4. Alle ihre Teile sind
giftig, besonders die Beeren; aber Drosseln fressen
sie mit Begier und ohne Schaden, während der
Mensch sich daran den Tod essen kann, wenn nicht
rechtzeitig durch Brechmittel (viel Milch, Öl, Essig)
das Gift entfernt wird. Doch auch geschätzte
Arzneimittel werden aus den Stoffen der Toll-
kirsche bereitet, so ist ihr Gift eines der wichtig-
sten Heilmittel bei mancherlei Augeukrankheiten.
— 5. Eine verwandte Pflanze ist der Tabak.
Der Franzose Ni ko t (daher heißt das Tabakgift
Nikotin!) hat ihn aus Amerika gebracht und zu
einer wichtigen Kulturpflanze gemacht. Trotz des
Giftes im Tabak rauchen Millionen Menschen die
Die Tollkirsche (verkl.).
a Blüte, b Frucht.
getrockneten Tabakblätter als Zigarren oder in Pfeifen, schnupfen sie als
Pulver oder kauen sie als Röllchen. Der Tabak wird auf fettem Boden ge-
zogen. Die Blütentrauben sind hellrot. Die breiten Blätter werden im Sep-
tember abgepflückt, auf Fäden gezogen und getrocknet. Vor der Verarbeitung
werden die Blätter angefeuchtet, aufgeschichtet und in Gärung gebracht. Aus
den nun braunen Blättern wickelt man Zigarren, schneidet Rauchtabak, rollt
Kautabak und pulvert Schnupftabak. Der Tabak enthält das giftige Nikotin.
Junge Leute sollen darum das Tabakrauchen meiden, weil es der Gesundheit
schadet. Das wohlthätigste Glied der Nachtschattenfamilie ist unsere Kartoffel
oder der knollige Nachtschatten. Die Knollen entwickeln sich an den Aus-
läufern der Stengel, nicht an den Wurzeln. Die Früchte sind grüne, übel
riechende und -schmeckende Beeren. Unter der Königin Elisabeth von England
brachte Franz Drake (spr. Drehk) die Kartoffel aus Amerika. In Deutschland
wurde sie erst nach dem 7 jährigen Kriege, häufig zwangsweise, eingeführt. Heilte
ist sie oft das Brot der Armen. Der bittersüße Nachtschatten mit bläu-
lichen Blüten und roten Beeren klettert als Strauch gern an Uferbüschen in die
Höhe. Er ist wie fast alle Nachtschattenarten arzneilich. Beim Kauen des
Stengels hat man erst einen bittern, dann einen süßen Geschmack.
55. Kriechende Glockenblume (Campunula rapunculoides).
1. Das Schneeglöckchen läutet das Auferstehungsfest der Blumen ein; die
blauen Glockenblumen fangen an, den blühenden Schwestern zu Grabe zu läuten.
Polack, Naturbeschreibung und Naturlehre. 4