1896 -
Hannover
: Helwing
- Autor: Renner, August, Jastram, Heinrich, Hüttmann, J. F., Feddeler, Gustav, Marten, Adolf
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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fertigen, sittenlosen Lebenswandel zu verführen, da riß er sich los
von ihnen und eilte zu dem Prinzen von Oranien ins Feldlager.
Als dieser hörte, weshalb er aus dem Haag geflohen sei, sagte
er ihm: „Vetter, Ihr habt das gethan, Ihr werdet noch mehr
thun. Wer sich selbst besiegen kann, der ist zu großen Thaten
fähig!" — Nicht lange vor des Vaters Tode kehrte Friedrich
Wilhelm nach Berlin zurück.
Im Jahre 1640 bestieg Friedrich Wilhelm den Thron.
Er war ein stattlicher Herr, hochgebildet, begabt mit seltenem Scharfblicke
und klarem Verstände. Er war ein Fürst, der wußte, was er wollte,
der aber auch mit eben so viel List und Klugheit, als mit heldenmütiger
Tapferkeit und Ausdauer seinen Willen durchzusetzen strebte. In ihm
ging nach langer, grauenvoller Schreckenszeit für das aus tausend Wunden
blutende Brandenburg ein glänzender Hosfnungsstern auf. Seine ersten
Herrscherjahre waren unsäglich schwer. „Auf der einen Seite habe ich
die Schweden, auf der anderen den Kaiser; ich sitze zwischen ihnen und
erwarte, was sie mit mir anfangen, ob sie mir das Meinige nehmen oder
lassen wollen", so schildert er seine Lage. Aber Friedrich Wilhelm war
nicht der Mann, der mit sich spielen ließ. Längst hatte er eingesehen,
daß ein Fürst nur so viel gelte, als die Kriegsmacht, welche ihm zur Seite
steht. Darum machte er sich ohne Säumen ans Werk, ein stehendes Heer
zu bilden. Nur 3000 Mann zählte anfangs sein Herr, aber am Ende des
30 jähr. Krieges war es bereits auf 10 000 Streiter angewachsen. Branden-
burgs Armee war das erste stehende Heer im deutschen Reiche. Auf
solche Macht gestützt, konnte er im westfälischen Frieden seine Forderungen
mit Nachdruck geltend machen. Zwar gelang es ihm nicht, das ganze
Pommern zu gewinnen, sondern er erhielt nur Hinterpommern,
dazu die vormaligen Bistümer Halber st adt und Minden, sowie
die Anwartschaft auf das Erzbistum Magdeburg. Er setzte es
durch, daß auch den Reformierten freie Ausübung ihrer Religion bewilligt
wurde. — In den folgenden Jahren vergrößerte der Kurfürst unablässig
sein Heer. Die Stände aber wollten ihm das dazu nötige Geld nicht
bewilligen. Da legte er eine Steuer (Accise) auf alle Waren, die in
Brandenburgs Städte ein- und ausgeführt wurden. Die Accise brachte
bald so viel Geld ein, daß der Kurfürst die Stände nicht weiter zu bitten
brauchte. Später wurden sie gar nicht mehr berufen. So bahnte
Friedrich Wilhelm in Brandenburg die unumschränkte
(absolute) Monarchie an. (Vergl. § 79.)
In dem Kriege zwischen Schweden und Polen half Friedrich Wilhelm
dem Schwedenkönige die Schlacht bei Warschau gewinnen. Für weitere Hülse
verlangte er, daß der Schwedenkönig ihm das Herzogtum Preußen als völlig
unabhängiges Land gebe. Das geschah in dem Vertrage zu Labiau (1656).
Bald daraus suchte der König von Polen seine Hülse. Der Kurfürst schloß
mit ihm den Vertrag zu Wehlau (1657), welcher auch Polens Lehnshoheit
(s. S. 171) über das Herzogtum aushob. Im Frieden von Oliva (bei Danzig)
wurde dem Kurfürsten die völlige Oberhoheit in Preußen bestätigt (1660).
Der Krieg gegen Frankreich und Schweden bildet
den Glanzpunkt in der Heldenlausbahn des Großen Kurfürsten.