1896 -
Hannover
: Helwing
- Autor: Renner, August, Jastram, Heinrich, Hüttmann, J. F., Feddeler, Gustav, Marten, Adolf
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Berlin und weiter nach dem Osten. Dreizehn Tage nach der
Schlacht bei Jena zog Napoleon in Berlin ein. Eine preußische
Festung nach der anderen ergab sich; nur Kolberg (Nettelbeck) und
Graudenz (Courbiere) verteidigten sich heldenmütig. Jetzt verbot
Napoleon den besiegten Völkern, etwas von England zu kaufen;
alle englischen Waren sollten vernichtet werden. Das nannte man
die „Kontinentalsperre", d. h. die Absperrung Europas gegen Eng-
lands Handel. In dieser Zeit trat auch der König von Sachsen
dem Rheinbünde bei.
Nun zog Napoleon nach dem Osten, um das preußische Heer
dort aufzusuchen. Inzwischen hatten sich die Russen mit den
Preußen vereinigt. Beide rangen in blutiger Schlacht bei
Preußisch-Ey lau mit Napoleon, der den Verbündeten das
Schlachtfeld überlassen mußte (8. Febr. 1807). Im Frühlinge
kam Kaiser Alexander von Rußland selbst zum Könige Friedrich
Wilhelm nach Preußen, und beide erneuerten den Freundschafts-
bund, welchen sie 1805 am Grabe Friedrichs d. Gr. in Potsdam
geschlossen hatten. Im Sommer kam es dann zur entscheidenden
Schlacht bei Fried land, wo Napoleon den Sieg gewann. Im
Frieden zu Tilsit mußte Friedrich Wilhelm sein halbes Reich
an Napoleon abtreten; die andere Halste (die Lande östlich der
Elbe) ließ dieser ihm nur „aus Achtung vor dem Kaiser aller
Russen", mit dem er inzwischen Freundschaft geschlossen hatte.
Dazu sollte Preußen 150 Millionen Franken Kriegskosten bezahlen
und durfte nur ein Heer von 42 000 Mann halten. Die edle
Königin Luise von Preußen hatte zwar persönlich versucht, die
harten Friedensbedingungen zu mildern, aber es war ihr nicht
gelungen, des Siegers sühlloses Herz zu erweichen. — Aus den
Gebieten, welche Napoleon Preußen entrissen hatte, zusammen mit
Braunschweig und Kurhessen bildete er das Königreich West-
falen, welches er seinem Bruder Jerome gab. Dieser hielt seinen
Hof in Kassel.
§ 94. Preußens Erneuerung. „Es wird mir immer
klarer, daß alles so kommen mußte, wie es gekommen ist. Wir sind ein-
geschlasen aus den Lorbeeren Friedrichs des Großen, welcher eine
neue Zeit schuf. Wir sind mit derselben nicht fortgeschritten, des-
halb überflügelt sie uns. Das sieht niemand klarer ein, als der König. I ch
glaube fest an Gott, deshalb bin ich der Hoffnung, daß auf
die jetzige Zeit eine bessere folgen wird. Ich finde Trost, Kraft
Mut und Heiterkeit in dieser Hoffnung, die tief in meiner Seele liegt.
Sorgen wir nur, daß >vir mit jedem Tage reifer und besser
werden." In diesen Worten sprach Preußens edle Königin Luise in der
Zeit tiefster Schmach und unsäglichen Elendes das aus, was Millionen ihres
Volkes erkannten und fühlten. Die grausamen Schläge von der Hand des
Franzosenkaisers hatten Preußens Völker aus ihrem stolzen Sicherhcitstraume
aufgeschreckt. „Wir müssen reifer und besser werden!" dieser Weckruf aus dem
Munde der geliebten Königin wurde die Losung für König und Volk.
Der König entließ seine unfähigen Ratgeber und berief Männer um
leinen Thron, deren Herzen in glühender Liebe für Freiheit und Vaterland