1881 -
Leipzig
: Ed. Peters Verl.
- Autor: Senckpiehl, Richard, Schreiber, Carl
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Bürgerschule, Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Mädchenschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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18. Jahrhunderts in Frankreich und England. Im Anfange des 19. Jahrhunderts
richtete Fulton, nachdem Napoleon sein Anerbieten, den Dampf für die französische
Kriegsflotte anzuwenden, abgelehnt hatte, in Amerika die erste regelmäßige Dampf-
schiffahrt ein. Im Jahre 1825 fuhr das erste Dampfschiff auf dem Rhein.
Die Eisenbahnen waren lange Zeit schon zur bequemeren und schnelleren Fort-
schaffung von Lasten durch Pferde benutzt worden. Im Jahre 1814 erfand George
Stephenson die Locomotive, und er verbesserte sie nach und nach so, daß i. I. 1830
zwischen Liverpool und Manchester eine Eisenbahnlinie für den Personenverkehr her-
gestellt werden konnte. In Deutschland entstand die erste Eisenbahnlinie 1835 zwischen
Nürnberg und Fürth, die nächste größere von Leipzig nach Dresden. Bald durchzog
England und Amerika ein Eisenbahnnetz. Dem Vorgehen dieser Länder folgte auf
dem europäischen Festlande zunächst Deutschland und nach längerer Zeit auch
Frankreich.
Der elektrische Telegraph, eine deutsche Erfindung, wurde zuerst in Deutschland
1833 praktisch ausgeführt. In Preußen entstand die erste Telegraphenlinie zwischen
Berlin und Coblenz. Die neue Erfindung erfuhr vielfach Verbesserungen, und in
kurzer Zeit durchzogen Telegraphennetze Großbritannien, das Festland von Europa
und Amerika. Im Jahre 1850 legte man den ersten unterseeischen Telegraphen
zwischen England und Frankreich, und 1866 gelang es sogar nach einigen ge-
scheiterten Versuchen, Europa und Amerika telegraphisch zu verbinden.
Diese Erfindungen, mit deren immer mehr wachsenden Anwendung auch eine
Vermehrung der Kunststraßen und eine Verbesserung des Postwesens stattfand, brachten
einen gewaltigen Umschwung im Gewerbe und Handel, ja in fast allen Lebens-
verhältnissen hervor.
Einen traurigen Gegensatz zu dem Aufblühen des geistigen und geschäftlichen
Lebens bildeten die politischen Zustände. In mehreren Staaten machte sich bald nach
dem Befreiungskriege im Volke eine große Unzufriedenheit mit den staatlichen Ein-
richtungen bemerkbar. Es begann eine Aufregung der Gemüter, welche zu heftigen
Erschütterungen führte.
Deutschland bestand aus 38 selbständigen Staaten von verschiedenster Größe.
Von diesen waren Östreich und Preußen die bedeutendsten und bildeten mit Frank-
reich, England und Rußland die 5 Großmächte, welche an die Spitze der europäischen
Angelegenheiten traten. Die einzelnen deutschen Staaten wurden durch den 1815
gegründeten deutschen Bund zu einem Staatenbunde vereinigt. Der zu Frankfurt a. M.
tagende Bundestag, aus den Abgesandten der deutschen Fürsten bestehend, sollte unter
Östreichs Leitung die gemeinsamen deutschen Angelegenheiten beraten. Diese Ein-
richtung erweckte Unzufriedenheit im deutschen Volke, das auf eine Neugestaltung eines
einigen Deutschlands gehofft hatte. Die Unzufriedenheit wurde vermehrt, als die in
dem Bundesbeschluß des Wiener Kongresses den Völkern gemachte Verheißung einer
freieren (landständischen) Verfassung mehr oder weniger unerfüllt blieb. Östreich und
Sachsen führten sogar ihre alten Verfassungen wieder ein. Am meisten kamen die
Regenten in den Mittelstaaten (Weimar unter Karl August, Nassau, Baiern, Würtem-
berg, Hessen-Darmstadt und Baden) der gegebenen Zusage nach. Die Aufregung
der Geister wuchs, besonders unter der Jugend, die sich in ihrer Verblendung zu
unbesonnenen Schritten hinreißen ließ. Der östreichische Staatsminister Fürst Metter-
nich, ein Feind aller freieren Staatsverfassungen, veranlaßte die deutschen Fürsten,
gemeinsam durch strenge Maßregeln die Aufregung zu unterdrücken. Es wurde die
Preßfreiheit aufgehoben, ein Verbot der Turnanstalten erlassen, eine strenge Aufsicht
über die Universitäten angeordnet und eine große Zahl junger Leute (wegen demago-