1900 -
Annaberg
: Graser
- Autor: Grohmann, Max
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Das Obererzgebirge.
3. Die Bedeutung des Erzgebirges für das Vaterland.
Das Erzgebirge ist seinem Hauptteile nach ein Kammgebirge. Untergegangen
sind die Erinnerungen an die Wenden, bis ans einige Ortsnamen in ihrer Sprache.
Auch sind im Aberglauben noch schwache Spuren des kleinen, schwarzhaarigen,
fremdsprechenden Volkes, das im verschwiegenen Waldthale dem wenig freigebigen
Boden mühsam Nahrung abrang, sich in selbstgewebte grobe Leinen kleidete und
vielleicht mit dem behaarten Fell des bekämpften und erlegten Waldtieres gegen
das rauhfeuchte Klima des Miriquidiwaldes schützte.
Germanen bewohnten das Gebirge erst vom 14. Jahrhundert an. Im
15. Jahrhundert werden Neustädtel, Schlema, Grünhain außer wendisch benannten
Orten schon erwähnt. Da nur wenige zum Kamme vordrangen, blieb das wilde
Waldgebirge eine Scheidewand zwischen den Wohnplätzen der Slaven in Böhmen
und derer in wachsen. Die Scheidewand erleichterte die Erhaltung und Ein-
führung des Deutschtums und damit einer höheren Entwicklungsstufe.
Diese schützende Rolle spielte das Gebirge auch im Hussitenkriege. Die
Gebirgsmauer hinderte die Unternehmungen der Hussiten sehr, indem sie von
einem eigentlichen Besitzergreifen des Landes abgehalten wurden.
Als im 30jährigen Kriege Sachsen Kriegsschauplatz wurde, da hinderte das
Gebirge den österreichischen Kaiser, das für ihn als Wiege der Reformation
wichtige Land zu behaupten und unmittelbar Einfluß zu gewinnen.
Wie in geschichtlicher, so ist auch in natürlicher Beziehung das Gebirge
wichtig für Sachsen. Noch heute finden wir stattliche Wälder. Der Wald aber
ist der Vermittler zwischen Luft und Erde. Den rasenden Lauf der Stürme
weiß der Wald zu besänftigen, die gefahrdrohende Gewitterelektrizität leitet er
ab, das Wasser lenkt er in die Tiefe, aus der es in dem Seitenthale als Quelle
hervorbricht, die Fluren des Landmanns tränkt er, dem Müller treibt er die Mühle
und günstige Gelegenheit zur Ansiedlung bietet er allen denen, die der Wasser-
kraft bedürfen. Solche Ansiedlungen bergen die Thäler der Mulde, der Zschopau,
der Sehma, der Chemnitz. Im Sommer dient das Gebirge als die Sparbüchse,
die bei Wassermangel noch die Not lindern kann. Außer dem Wasser spendet
das Gebirge auch dem Lande Holz, das als Brenn- und Bauholz verwertet
wird. Zn erwähnen sind besonders die ans den Holzreichtum sich stützenden
bodenständigen Gewerbe, so früher die Glasfabrikation, jetzt die Holzschleiferei
und Spielwarenfabrikation. Auch die Eisenindustrie, die früher im Gebirge
blühte, war ans den Holzreichtum zurückzuführen. Das Erlöschen derselben folgte
auf die Verteuerung des Holzes. Wichtig sind auch die Torflager.
Aber auch im Innern birgt das Erzgebirge Schütze fürs Land. Im
steinernen Gebirgskörper schlummerten Silberadern. Die Reichtümer verhalfen
den Landesfürsten zur Hebung der Macht und des Einflusses unseres Landes.
Es entstanden neue Bergorte, die vielfach für die Entwicklung des Landes auch
in geistiger Beziehung wichtig geworden sind: wie Freiberg, Annaberg und
andere Städte.
Mit dem Erzbergbau in Verbindung stehen die Blaufarbcnwerke, die von
bedeutendem Einfluß auf Handelsbeziehungen znm Auslande wurden. Ihren
eigentlichen Ursprung haben die großartigen chemischen Fabriken in den Glashütten
gehabt, die der Holzreichtum des Gebirges in Begleitung der Bergwerke entstehen
ließ. 1822 erfand in Schneeberg Dr. Geitner die Bereitung des wichtigen
Argentaos oder Neusilbers. Eine Grube bei Aue lieferte Böttcher den Stoff
zu seinen Versuchen, deren Ergebnis die Porzellanerzeugung in Sachsen wurde.