1914 -
Bielefeld [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Baas, Karl, Kahnmeyer, Ludwig, Schulze, Hermann
- Auflagennummer (WdK): 151
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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I
das Land verwaltet hatten, seinen festen Wohnsitz in Goslar, mitten im
Lande der Sachsen. Diese mußten nun allein die Kosten des kaiserlichen Hofhaltes
bestreiten. Heinrich erbaute sich mehrere Burgen, deren fränkische Besatzung oft
arg im Lande hauste. Das alles erfüllte die Sachsen mit Mißtrauen und Erbitterung
gegen den König. Sie empörten sich, wurden aber in blutigem Kampfe nieder-
geworfen. In törichter Verblendung mißbrauchte Heinrich seinen Sieg. Denn
er ließ sofort die im Sachsenlande zerstörten Burgen wieder herrichten, nahm viele
vornehme Sachsen gefangen und zog ihre Güter ein. Auch gab er die gefangenen
Bischöfe nicht frei, obgleich Papst Gregor Vii. solches von ihm forderte; dadurch
schuf er sich in diesem einen neuen, sehr mächtigen Feind.*)
3. Gregor Vii. bestieg 1073 den päpstlichen Stuhl. Er, der ehemalige schlichte
Mönch Hildebrand, war einst aus einem französischen Kloster an den päpstlichen
Hof gekommen und hatte den fünf vor ihm regierenden Päpsten als vertrauter Rat-
geber gedient. Jetzt, da er selbst den päpstlichen Stuhl bestiegeu hatte, verfolgte
er mit unbeugsamer Kraft das Ziel, die Kirche vollständig unabhängig von aller
weltlichen Macht zu machen und alle Mißbräuche, die sich in sie eingeschlichen hatten,
zu entfernen. Deshalb gebot er: 1. Kein geistliches Amt sollte mehr um
Geld verkauft werden (Simonie, Apost.-Gesch. 8); 2. der Papst allein und
kein Fürst hätte das Recht, Bischöfe zu ernennen und ihnen die
Zeichen ihrer Würde, Ring und Stab, zu geben (Investitur); 3. kein
Geistlicher sollte verheiratet sein (Zölibat).
4. Heinrich im Bann. Unbektimmert um das päpstliche Gebot, besetzte Heinrich,
wie das bisher üblich gewesen war, deutsche und italienische Bistümer. Da erschien
ein Gesandter des Papstes bei Heinrich und verlangte von ihm, daß er die durch
Simonie in ihre Stellen gelangten Bischöfe absetze und sich fortan der Belehnung
der Bischöfe vollständig enthalte. Heinrich beachtete diese Forderung nicht. Dazu
kam noch, daß er von den Sachsen eines lasterhaften Lebenswandels angeklagt
war. Der Papst drohte deshalb, daß er ihn mit dem Bann belegen werde, wenn
er nicht bald Beweise seiner Sinnesänderung geben werde. Darüber empört, ließ
Heinrich den Papst auf einer Versammlung von 26 deutschen Bischöfen in Worms
absetzen. Aber der Papst schreckte vor den Drohungen Heinrichs nicht zurück. Im
Gegenteil, er tat, was noch kein Papst vor ihm gewagt hatte: er sprach über den
König den Bann aus und entband alle seine Untertanen von dem Eide der
Treue. Anfangs lachte Heinrich darüber. Den Herzögen aber war die Absetzung
des Kaisers sehr willkommen, und auch von den Bischöfen stellte sich einer nach dem
anderen auf die Seite des Papstes. Bald erklärten die deutschen Fürsten, einen
anderen König wählen zu wollen, wenn Heinrich nicht binnen Jahresfrist vom
Banne gelöst sei.
5. Reife nach Italien. Da entschloß sich Heinrich als Büßer nach Italien zu
ziehen und sich mit dem Papste auszusöhnen. Im Winter des Jahres 1077 trat
er mit seiner edlen Gemahlin, seinem dreijährigen Söhnlein und einem kleinen
Gefolge die harte Reise über die Alpen an. Die süddeutschen Fürsten wollten die
Absicht des Königs vereiteln und ihn nicht durchlassen. Er mußte den Umweg über
den Mont Cenis machen. Das war ein furchtbarer Weg. Es herrschte ein besonders
*) Badische Geschichte, Abschnitt 6, 7, ö.