1910 -
Bielefeld [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Kahnmeyer, Ludwig, Gieseler, Albert, Schulze, Hermann, Borchers, Emil, Baade, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 18
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
95
I
des Königs von Preußen, das wird ihn aufrecht halten," sagte er einmal. Bis
dahin waren die obersten Staatsbehörden noch getrennt und gerieten oft in Streit
miteinander. Um das zu vermeiden, vereinigte der König alle diese Behörden
zu einer einzigen Oberbehörde, der die Verwaltung der Staatsgelder und
Domänen sowie die Erhaltung des Heeres oblag. Diese Behörde führte den
Namen General-Direktorium. Unter ihr standen in jeder Provinz eine Kriegs-
und Domänenkammer. — Um die Staatseinnahmen zu vermehren, belegte
der König den Adel, der bis dahin steuerfrei gewesen war, mit Abgaben. Jedes
Rittergut mußte jährlich 40 Taler zahlen. Die Domänen, die bis dahin in
Erbpacht standen, ließ er einziehen und immer nur ans sechs Jahre verpachten.
Dadurch erzielte er höheren Pachtzins. Seine Eigengüter vereinigte er hoch-
herzig mit den Staatsgütern. Die Pächter ließ er genau beaufsichtigen, „ob in
die Knhställe fleißig Stroh eingestreut und der Mist zu gehöriger Zeit aufs Feld
gefahren würde". Zur Erhaltung des Heeres schuf er eine besondere Rekruten-
kasse. In diese mußte jeder, der ein neues Amt oder einen neuen Titel
empfangen hatte, eine bestimmte Summe zahlen.
5. Oabakskollegium. Seine einzige Erholung suchte und fand der König
im Tabakskollegium. Er versammelte nämlich fast jeden Abend von 5—7 Uhr
eine Anzahl Generale und Minister um sich und unterhielt sich zwanglos uitb
heiter mit ihnen. Ost benutzten diese und auch fremde Gesandten die gute Laune
des Königs, um wichtige Staatsangelegenheiten mit ihm zu besprechen. Alle
Hossitte wurde hier beiseite gesetzt; der König galt nur als Oberst, und niemand
durste sich erheben, wenn er kam, noch wenn er ging. Er selber rauchte gern;
wer von den Gästen diese Leidenschaft nicht teilte, wie der alte Dessauer, nahm
wenigstens zum Schein eine Pfeife in den Mund; denn der König freute sich,
wenn alle rauchten. Bediente waren nie zugegen. Vor jedem Gaste stand ein
Krug Bier, und ans einem Nebentische fand man Butter, Brot, Braten und
Schinken, wovon jeder nach Belieben nehmen konnte.
6. Hufnabme der Salzburger. 1729 verlangte der Erzbischof von Salz-
burg von allen evangelischen Untertanen, daß sie katholisch werden sollten. Da
sic sich weigerten, wurden sie hart bedrängt, und die meisten entschlossen sich zur
Auswanderung. Friedrich Wilhelm aber nahm diese Unglücklichen freudig in sein
Land aus, gab ihnen in Ostpreußen, wo zur Zeit seines Vaters ganze Dörfer
infolge der Pest ausgestorben waren, Ländereien, Vieh und Ackergerät, und tat
alles mögliche, ihnen die neue Heimat lieb zu machen.
7. Tils Landesvaler. Noch ans dem Dreißigjährigen Kriege her gab es
in Stadt und Land viele wüst liegende Häuser. Um nun die Leute zum Häuser-
ban zu ermuntern, gab er ihnen Geld und erließ ihnen auf 15 Jahre alle
Steuern. Er gründete 13 neue Städte und 332 Dörfer. Sehr viel tat er auch
für die Verschönerung Berlins. Er wies den Leuten Bauplätze an iinb gab
ihnen freies Bauholz und einen Teil der Baukosten. Dann aber hieß es: „Der
Kerl hat Geld, muß bauen." Wer etwa Einwendungen machen wollte, den wies
er streng zurück mit den Worten: „Räsonier' Er nicht!" Überhaupt besaß der
König einen unbeugsamen Willen. Was er wollte, setzte er durch. Sein Wahl-
'prnch war: „Er (der preußische Adler) weicht der Sonne nicht." Für das
platte Land waren damals die Wölfe noch eine schreckliche Plage. In manchen