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1. Realienbuch - S. 136

1910 - Bielefeld [u.a.] : Velhagen & Klasing
1 136 mauer umgeben und außerdem durch viele starke Außenwerke geschützt. Schon am 19. September hatten 300 000 Deutsche in einem Umkreise von 75 Km die Riesenstadt umzingelt. An allen wichtigen Punkten wurden Schanzen aufgeworfen und in endlosen Linien doppelte, ja dreifache Schützengräben gezogen. Die Gartenmauern wurden mit Schießscharten versehen, und wo es sonst kein Decknngs- mittel gab, errichtete man aus Fässern, Balken, Hundehütten, Matratzen usw. Barrikaden. Durch fortwährendes Feuern suchten die Franzosen alle diese Ar- beiten zu stören; und wo nur eine Helmspitze, eine Lanze auftauchte, wo in der Dunkelheit ein Fenster erleuchtet war oder ein Soldat sich die Zigarre anzündete, dahin sandten sie sofort ihre Granaten. Die Deutschen aber machten sich über diese Pulververschwendung lustig, steckten Strohmänner in alte Uniformen, ver- fertigten Geschützmündungen aus Pappe und lachten sich halbtot, wenn die Fran- zosen wie wütend auf Pappe und Stroh losknallten: sie sparten ihr Pulver für eine bessere Gelegenheit. 2. Im Quartier. Die Bewohner der umliegenden Ortschaften hatten sich beim Herannahen der Deutschen nach Paris geflüchtet. Hans und Hof standen leer, und außer Hund oder Katze war oft kein lebendes Wesen zurückgeblieben. Die Soldaten aber machten es sich in den verlassenen Häusern so bequem wie möglich. Hier und da wohnten die Mannschaften in prächtigen, aber verlassenen Schlössern. Da blitzten die Wände von Spiegeln: der Fußboden ist mit Teppichen belegt, und auf den weichen Sofas ruht es sich recht behaglich. Die Gürten bieten Obst, Gemüse und Kartoffeln, in den Kellern sind große Weinvorräte; Brot und Wein wird reichlich geliefert, und an „Liebeszigarren" ist auch kein Mangel. Das Leben wäre hier ganz erträglich gewesen, wenn nur nicht fort- während der Kanonendonner dazwischen gebrummt und der Vorpostendienst die behagliche Ruhe gestört hätte. 3. Kampf uncl Übergabe. In Paris hatte man wohl an 300000 Mann, zum größten Teile Mobilgarden (eine Art Landwehr), zusammengezogen. Bald hier, bald dort wurde ein Ausfall gemacht, aber immer wurden die Franzosen von den Deutschen zurückgeschlagen. Die Pariser lebten in großer Angst. Keinen Abend mehr brannten sie Gas, ans Furcht, eine Bombe könne einschlagen. Aber erst um Weihnachten begann die eigentliche Beschießung. Ein Anßenwerk nach dem anderen wurde zum Schweigen gebracht, und immer enger zog sich der Kreis nur die Stadt zusammen. An 20000 Granaten wurden täglich in die Stadt hineingeworfen, und an verschiedenen Orten entstand Feuer. Schlimmer aber noch war der Mangel an Lebensmitteln, der sich bald einstellte. Schon seit Mitte Dezember war Pferdefleisch ein Leckerbissen geworden. Man verschmähte weder Hund noch Katze und zahlte für eine Ratte sogar 1—2 M. Auch an Holz und Kohlen fehlte es, und der Winter war bitter kalt. Krankheiten aller Art stellten sich ein; ganz besonders wüteten die Pocken. Kein Stand, keine Familie blieb von den Leiden und Entbehrungen der Belagerung verschont. Von Tag zu Tag wurde die Not größer. Noch einmal, am 19. Januar, sollte ein Rettungsversuch gemacht werden. Ungeheure Truppenmassen versuchten in westlicher Richtung den Durchbruch. Aber die Deutschen hielten hinter den Schanzen wacker stand. Am Abend mußteil die Franzosen wieder zurück; der eiserne Ring blieb geschlossen.
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