1910 -
Bielefeld [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Kahnmeyer, Ludwig, Gieseler, Albert, Schulze, Hermann, Borchers, Emil, Baade, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 18
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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2. Die Provinz Sachsen.
Ein großer Teil des Thüringer Hügellandes gehört zur Provinz Sachsen und
zwar zum Regierungsbezirk Erfurt. In der Goldenen Au liegt das durch
seine Branntweinbrennereien bekannte Nordhausen. Die bedeutendste Stadt des
Eichsfeldes ist Mühlhausen. Die Hauptstadt des Regierungsbezirkes, das blumen-
reiche Erfurt (S. 28), liegt zwischen Weimar und Gotha. Suhl ist durch seine
Waffenindustrie bekannt. Der andere Teil der Provinz Sachsen, bestehend aus den
Regierungsbezirken Magdeburg und Merseburg, umfaßt das nördlich vom
Thüringer Hügelland sich erstreckende Tiefland am Unterlauf der Saale, Mulde
und zu beiden Seiten der Elbe. Das fruchtbarste Stück ist die Magdeburger
Börde, die sich zwischen Ohre und Saale bis in die Nähe des Harzes ausbreitet.
Sie ist ein Marschland, entstanden durch große Überschwemmungen. Der Acker
ist hier äußerst fett und besteht vorzugsweise aus schwerem, schwarzem Lehmboden.
Bäume sieht man meist nur an den Chausseen. Das Korn wird so hoch, daß
ein Reiter zu Pferde darin verschwindet. Rüben und Zichorien, die hier in großer
Üppigkeit wachsen, haben eine Menge Zucker- und Zichorienfabriken entstehen
lassen. Dazu hat die Börde auch mehrere ergiebiege Braunkohlen- und Salz-
werke. Überall herrscht daher der größte Wohlstand. Hiervon zeugen auch die
großen Dörfer mit ihren stattlichen Bauernhäusern.
Im Mittelpunkte der Börde liegt Magdeburg (240 T.), an der wichtigsten
Handelsstraße zwischen dem Osten und Westen unseres Vaterlandes. Magdeburg
ist die einzige Festung im Innern Preußens. Hohe Wälle, tiefe Grüben und
viele Außenfestungen schirmen die Stadt. Durch ihre vielen Eisenbahnverbin-
dungen ist sie auch die erste Handelsstadt der Provinz geworden.
Die Ertragfähigkeit des Bodens wird erheblich gesteigert durch die Anwendung der
künstlichen Düngemittel der Kalisalze, die hier in der Ebene die häufig vorkommenden
Steinsalzlager bedecken. Unter allen europäischen Salzbergwerken nimmt das Staßfurter
a. d. Bode den ersten Rang ein. In einer Tiefe von etwa 300 m stößt man hier auf
ein Salzlager, das eine Mächtigkeit von über 400 m hat. Die obersten Schichten bestehen
aus einem bunten Gemisch von Stein-, Bitter-, Kali- u. a. Salzen. Unter diesen ruht
das reine Steinsalz. Die wertvolleren Salze sind jedoch jene Kalisalze, die man bei der
Düngung und im chemischen Gewerbe verwertet. Die Salze werden durch Sprengungen
losgelöst und dann in Kasten mittels eines Gewindes zutage gefördert. Das Steinsalz
wird gemahlen und als Tafelsalz sofort in den Handel gebracht. Die sogenannten
Abraumsalze werden in den verschiedenen chemischen Fabriken Staßfurts verarbeitet.
Die hier gewonnenen Kalisalze sind nicht bloß in ganz Europa, sondern selbst auf den
Kaffeepflanzungen Brasiliens und Ceylons sehr begehrte Düngemittel. Reiche Salz-
quellen finden sich noch bei Schönebeck und Halle.
Das Herzogtum Anhalt (2300 qkm, 328 T.) trennt den nördlichen Teil
des Tieflandes der Provinz Sachsens von dem südlichen.
Die Hauptstadt des meist fruchtbaren Landes ist Dessau (60 T.) an der Mulde, mit
reizenden Gartenanlagen und waldreicher Umgebung. Ein Denkmal der Stadt erinnert
an den „alten Deffauer", den Sieger von Kesselsdorf. Andere Städte sind: Lothen»
Lernburg» Gerbst. Am Unterharz liegt Ballenstedt, der Stammsitz Albrechts des Bären.
Im südlichen Teile des Tieflandes der Provinz Sachsen, im Regiernngsbezirk
Merseburg sind die Gestlde an der Saale und dem linken Üser der Mulde fruchtbar,
während im östlichen Teile Sand- und Sumpfgebiete sich ausdehnen. Zwischen
Naumburg und Weißenfels sind die hügeligen Ufer der Saale mit Weinreben be-