1912 -
Bielefeld [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Kahnmeyer, Ludwig, Gieseler, Albert, Schulze, Hermann, Borchers, Emil, Baade, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 131
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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stehe. Dadurch wurde ein ernster, religiöser Sinn geweckt, der sich besonders in
Bußübungen und strenger Zucht äußerte. Auch die Geistlichkeit, besonders in
den Klöstern, wurde von diesem Streben ergriffen. Man hielt darauf, daß die
Geistlichen sich eines ehrbaren Lebens befleißigten und sich ganz und gar dem
Dienst der Kirche weihten. Immer strenger wurde darum auch die Forderung,
daß die Priester ehelos bleiben sollten, damit sie, frei von allen Familienbauden,
der Kirche unbedingt gehorsam wären. Auch sollten die geistlichen Stellen nicht
mehr von weltlichen Fürsten besetzt und noch weniger um Geld an den Meist-
bietenden vergeben werden, da so oft ganz Unwürdige die Bischöfsstühle ein-
nahmen. Geistliche Stellen sollten nur von Geistlichen vergeben werden.
3. Gregor Vii. Zu jener Zeit (1073) bestieg Hildebrand, der Sohn
eines Zimmermanns, als Gregor Vii. den päpstlichen Stuhl. Durch ihn wurde
die päpstliche Macht auf den höchsten Gipfel erhoben. „Der Papst," sagte er,
„ist der Stellvertreter Gottes auf Erden. Er allein kann sich der kaiserlichen
Abzeichen bedienen; seine Füße haben alle Fürsten zu küssen. Sein Name allein
darf in dem Kirchengebet genannt werden, und kein Name in der Welt ist dem
seinigen an die Seite zu stellen. Er kann Kaiser absetzen und Untertanen von
der Pflicht gegen abtrünnige Fürsten entbinden. Alle Königreiche sind Eigentum
oder doch Lehen der römischen Kirche."
Bis dahin hatte der Papst als weltlicher Fürst dem Kaiser den Lehnseid
geleistet. Gregor forderte dagegen umgekehrt, daß ihm der Kaiser Treue schwören
solle, und behauptete, daß Otto I. bereits dem Papste einen solchen Eid geleistet
habe. Um nun die Kirche ganz vom Staate abzulösen, gebot er: 1) kein geist-
liches Amt sollte mehr um Geld verkauft werden (Simonie, Apost.-
Gesch. 8); 2) der Papst allein und kein Fürst dürfe Bischöfe ernennen
und ihnen die Zeichen ihrer Würde, Ring und Stab, geben (Investitur);
3) kein Geistlicher sollte verheiratet sein (Zölibat).
Zu solchem kühnen Vorgehen ermutigte ihn besonders noch der Umstand,
daß er es mit einem sehr jungen und — wie er glaubte — sehr schwachen
König zu tun hatte: Heinrich Iv.
2. Hemrick Iv. 1056—1106.
1. F)einricb Iii. Heinrich Iv. stammte aus dem fränkischen Kaiserhause, das mit
Konrad Ii. (1024—1039) den Thron bestieg. Auf Konrad folgte sein Sohn Hein-
rich Iii. (1039—1056). Er war ein sehr kirchlicher Mann, behauptete aber seine
Herrschaft über die Kirche und setzte Päpste ein und ab. Nach seinem frühzeitigen
Tode aber stieg die Macht des Papstes um so höher. Sein Sohn war Heinrich Iv.
1056 2. Jugencl. Heinrich war erst sechs Jahr alt, als sein Vater starb. Seine
Mutter übernahm deshalb die Regierung für ihn. Sie stützte sich nicht auf die
Herzöge und Bischöfe, sondern gestattete anderen Ratgebern Einfluß auf die
Regierung. Das erregte die Eifersucht der Großen des Reiches. Der mächtigste
unter ihnen, der herrschsüchtige Erzbischof Anno von Cöln, bemächtigte sich durch
einen Gewaltstreich des jungen Königs und damit der Herrschaft.
Die Kaiserin weilte nämlich einst mit ihrem Sohne auf einer Rheininsel, die heute
einen Teil der Stadt Kaiserswerth bildet. Dahin begab sich auch Anno mit den beiden
sächsischen Grafen Ekbert von Braunschweig und Otto von Nordheim. Während die