1909 -
Leipzig [u.a.]
: Teubner
- Autor: Lehmann, Richard, Franke, Max, Szymanski, Theodor, Lorenz, Paul, Schmeil, Otto
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
I
Geschichte.
57
die Bibel zu übersetzen. Die Sprache, die er hierbei gebrauchte, war so volkstümlich,
daß sein Werk sich schnell verbreitete. Im Jahre 1546 starb Luther in Eisleben und
wurde in Wittenberg, wo er so lange gelebt und gewirkt hatte, begraben. Seine letzten
Lebensjahre waren durch Krankheiten und mancherlei üble Erfahrungen mit seinen
Anhängern getrübt.
9. Die Wiedertäufer in Münster. Zur Zeit der Reformation traten Männer auf,
die die Taufe der Rinder verwarfen und die Erwachsenen nochmals tauften. Diese „Wieder-
täufer" wollten schon hier auf Erden ein Reich Gottes aufrichten. In der Stadt Münster i. w.
vertrieben sie den Bischof und die Obrigkeit und erwählten ihren Führer Johann Bockold aus
Leiden in Holland zum Könige. Dann zwangen sie die Bürger, ihren Besitz an Gold und
Silber auf dem Rathause abzuliefern, und führten die Vielweiberei ein. Der Bischof von
Münster und der Landgraf Philipp von Hessen eroberten schließlich die Stadt und machten
der tollen Wirtschaft ein Ende (1535).
It. Der Dauernkrieg.
1. Ursache. Die Lage des Bauernstandes war in den letzten Jahrhunderten immer
schlechter geworden. Der Bauer mußte mit seinen Familiengliedern und mit seinen Zugtieren
oft mehrere Tage der Woche auf dem Gutshofe unentgeltlich arbeiten (Hand- und Spann-
dienste). Außerdem hatte er allerlei Abgaben an Vieh und Feldfrüchten an den Gutsherrn zu
entrichten. Daher war es ihm auch bei großem Fleiße kaum möglich, das Leben zu fristen.
Als nun Luther eine Schrift über die Glaubensfreiheit herausgab, bezogen die Bauern das
Wort ,.Freiheit" auf ihre Lage. Im Jahre 1525 erhoben sie sich in ganz Süd- und Mittel-
deutschland und verlangten Abschaffung der Leibeigenschaft, Beschränkung und Feststellung
der Fronden und Abgaben, freie Jagd, freien Fischfang, freies holz und freie Wahl ihrer
Geistlichen. Da Thristus alle Menschen mit seinem Blute freigemacht und erlöst habe, stehe
die Leibeigenschaft mit der christlichen Lehre in Widerspruch. Auch bei ihren andern Forderungen
beriefen sie sich auf die heilige Schrift.
2. Luther und die Bauern. Solange die Bauern sich vor Gewalttaten hüteten,
trat Luther für sie ein. Er kannte ihre Not wohl. In einer Schrift hielt er den Fürsten
vor, wie übel sie das arme Landvolk gehalten hätten. Ernstlich ermahnte er sie. „den
Bauernstand billig zu behandeln, sonst werde Gott Vergeltung über sie schütten". Die
Bauern aber warnte er, sich gegen die von Gott eingesetzte Gbrigkeit zu empören, und riet
zum Frieden. Die Warnungen waren jedoch umsonst. Die Bauern fingen bald an zu plündern
und zu rauben. Sie zündeten Burgen und Klöster an. Aus den Rellern holten sie die Fässer
mit Wein oder Bier und hielten tagelang wüste Zechgelage. Wertvolle Bücher und Hand-
schriften zerstörten oder verbrannten sie aus reiner Zerstörungswut. Edelleute und Geistliche
wurden grausam ermordet. Als Luther von diesen Greueln hörte, forderte er in einer zornigen
Schrift die Fürsten auf, die Bauern mit Gewalt zur Grdnung zu bringen.
3. Thomas Münzer. Der Hauptanführer der Bauern in Mitteldeutschland war
der frühere Mönch Thomas Münzer. Er hatte schon an dem Bildersturm in Wittenberg
teilgenommen. Unter seiner Führung bemächtigten sich die Bauern der freien Reichsstadt
Mühlhausen i. Th. von hier aus verwüsteten sie viele Rlöster in Thüringen und am harze.
Aber bald rückte der Landgraf Philipp von Hessen mit 6000 Mann gegen sie heran. Da
stellte sich ihm Münzer mit 8000 Bauern bei Frankenhausen entgegen. Philipp von Hessen
wollte die Bauern gern schonen und sandte daher einen jungen Ritter als Unterhändler zu
ihnen. Wenn sie Münzer auslieferten, sollten sie Verzeihung erhalten. Aber Münzer ließ
den Boten meuchlings niederstechen. Ohne Ordnung zogen die Bauernscharen in den Rampf.