1907 -
Leipzig [u.a.]
: Teubner
- Autor: Lehmann, Richard, Schmeil, Otto, Franke, Max, Lorenz, Paul
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
I
Geschichte.
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von Gramen, in das Kriegslager vor Breda. Vieser sagte zu ihm: „Vetter. Ihr habt
etwas Großes getan, wer sich selbst bezwingt, ist großer Dinge fähig!"
2. Luise Henriette. Im Jahre 1646 vermählte sich Friedrich Wilhelm mit
Luise Henriette, der Tochter des Prinzen von Gramen. Zie war eine fromme und
edle Frau von großen geistigen Fähigkeiten.
Erst nach vierjähriger Ehe, nach Beendigung
des Dreißigjährigen Krieges, konnte die junge
Fürstin in die Mark Brandenburg einziehen.
Beim Nnblick der verbrannten Dörfer und
der bitteren Not des Volkes soll sie Tränen
vergossen haben. Zie ist dem Kurfürsten
21 Jahre lang eine vertraute Lebens-
gefährtin gewesen, die ihn selbst auf seinen
Reisen begleitete und ihm oft mit ihrem klugen
Rate zur Leite stand. Nus ihrer Heimat, den
Niederlanden, ließ sie Gärtner und Landwirte
kommen, die Musterwirtschaften einrichteten
und die Viehzucht in der Mark verbesserten.
In der Nähe von Berlin errichtete sie ein
großes Waisenhaus, das ihr zu Ehren den
Namen „Oranienburg" erhielt. Nus ihre
Veranlassung wurde ein neues Gesangbuch
herausgegeben, in dem auch das angeblich
von ihr selbst gedichtete Lied „Jesus, meine Zuversicht" Nufnahme fand. Tief be-
trauert von ihrem Gemahle starb Luise Henriette bereits im Nlter von 39 Jahren.
3. Errichtung einer stehenden Heeres. Nls Friedrich Wilhelm, erst 20 Jahre alt,
die Regierung antrat, waren seine Besitzungen am Rheine in den Händen der Kaiserlichen
und wie die Mark Brandenburg furchtbar verheert. Pommern, das nach dem 1637
erfolgten Tode seines letzten Herzogs an Brandenburg hätte fallen müssen (5. 75, 6),
wurde von den Zchweden besetzt gehalten. Die brandenburgischen Truppen waren aus den
Kaiser vereidigt und wollten dem Kurfürsten nicht gehorchen. Friedrich Wilhelm sah ein,
daß er, um sein Land zu schützen, ein brauchbares Heer haben mußte. Er entließ daher
die unzuverlässigen Regimenter und warb neue Truppen an, die meist aus Landeskindern
bestanden und dauernd in seinen Diensten blieben. Nus diese weise schuf er ein stehen-
des Heer. Bei der Errichtung der Reiterei unterstützte ihn besonders der Feldmarschall'
Dersslinger, ein Bauernsohn, der während des Dreißigjährigen Krieges wegen seiner
hervorragenden Tapferkeit zum General emporgestiegen war. Im Jahre 1648 zählte das
brandenburgische Heer 8000 Mann, später wurde es auf 28 000 Mann vermehrt.
4. Die Erwerbungen im westfälischen Frieden. In den letzten fahren des
Dreißigjährigen Krieges konnte der Kurfürst gegen den Kaiser und die Zchweden
selbständig auftreten. Ztandhast forderte er nun Pommern. Im westfälischen Frieden
bekam er jedoch nur Hinterpommern (Karte!); das wegen des Zeehandels wichtige
Vorpommern mit den Odermündungen erhielten die Zchweden. wenn der Kurfürst auch
mit Magdeburg, Halberstadt, Minden und Kamin entschädigt wurde, so empfand er es
doch schmerzlich, daß Brandenburg vom Zeeverkehr abgeschnitten war; denn von den ent-
legenen hinterpommerschen und preußischen Häsen aus konnte man keine waren nach der
Luise Henriette.