1907 -
Leipzig [u.a.]
: Teubner
- Autor: Lehmann, Richard, Schmeil, Otto, Franke, Max, Lorenz, Paul
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
I
Geschichte.
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6. ver Veutsch-Zranzöfische Krieg 1870/71. a) stnlafe. vie Franzosen hatten
die preußischen Ruhmestaten und die fortschreitende Einigung Deutschlands mit Besorgnis
verfolgt. Napoleon Iii. befürchtete seinen Thron zu verlieren, wenn er nicht durch einen
ruhmvollen Feldzug gegen Preußen sein wankendes Ansehen bei dem ehrgeizigen Volke
befestigte. Ein Vorwand zum Kriege war bald gefunden. — Die Spanier boten 1870 dem
Prinzen Leopold von k)ohenzollern die Königskrone an. Obgleich dieser Fürst, der dem
süddeutschen Zweige des hohenzollerngeschlechtes angehörte, der Familie Napoleons näher
verwandt war als dem preußischen Königshause, erklärte die französische Negierung,
sie werde nicht dulden, daß ein hohenzoller den spanischen Thron besteige, weil darin
eine Bedrohung Frankreichs liege. Prinz Leopold verzichtete daraufhin auf die spanische
Krone. Aber nun verlangte der französische Botschafter, König Wilhelm solle an Napoleon
einen entschuldigenden Brief schreiben und versprechen, daß er auch für die Zukunft
dem Prinzen Leopold die Annahme der spanischen Krone verbieten werde. Diese Zu-
mutung, sich vor Napoleon zu demütigen, wies König Wilhelm, der in Ems zur Kur
weilte, würdevoll zurück und erklärte, für ihn sei die Angelegenheit durch den Verzicht
des Prinzen erledigt. Als der französische Botschafter neue Unterredungen nachsuchte,
um seine Forderung zu wiederholen, ließ ihm der König sagen, er habe ihm nichts
weiter mitzuteilen. In der französischen Volksvertretung waren inzwischen heftige Reden
gegen Preußen gehalten worden, und in Paris zogen aufgeregte Irenschenmasfen mit
dem Rufe: „Nach Berlin!" durch die Straßen. Als Bismarck die telegraphische Nachricht
von der Abweisung des französischen Botschafters in Ems veröffentlichte, stieg die Er-
regung in Paris auf den Gipfel. Der französische Kriegsminister teilte der Volks-
vertretung mit, zu einem Feldzuge sei alles völlig bereit, und so wurde der Krieg an
Preußen erklärt. — König Wilhelm reiste, von brausendem Jubel des Volkes auf allen
Bahnhöfen begrüßt, nach Berlin und befahl, das lheer kriegsbereit zu machen. Am
Todestage seiner Rlutter besuchte er die Gräber seiner Eltern und erneuerte dann den
Orden vom Eisernen Kreuze. — Die süddeutschen Staaten, auf deren Abfall Napoleon Iii.
gerechnet hatte, stellten dem Bündnisse getreu ihre Truppen unter König Wilhelms
Befehl. Die wehrhaften Rlänner aller deutschen Stämme eilten unter dem Gesänge der
„Wacht am Rhein" zu den Waffen. Alldeutschland nahm den Kampf auf.
b) Die Aufstellung der k)eere. In 14 Tagen und ohne Störung vollzog sich
nach den Plänen des Generals von Iroltke der Aufmarsch der deutschen Heere. Drei
große Armeen wurden gebildet. Vie I. Armee sammelte sich zwischen Koblenz und
Trier; sie stand unter dem Befehle des Generals v. Steinmetz. Die Ii. Armee unter dem
Prinzen Friedrich Karl nahm in der Rheinpfalz Aufstellung. Die Iii. Armee setzte sich aus
den süddeutschen Truppen und drei preußischen Korps zusammen; sie wurde in der Gegend
von Irannheim zusammengezogen und von dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm von
Preußen befehligt, dem wie 1866 General v. Blumenthal als Berater beigegeben war.
Zurverteidigung der Seeküsten gegen die überlegene französische Flotte waren 9o Ooo Irann
bestimmt. König Wilhelm begab sich mit Iroltke, Roon und Bismarck an die Westgrenze
und übernahm den Oberbefehl über die drei Armeen. — Die Franzosen hatten zwei Heere
gebildet. Vas eine, unter Bazaine (basähn), stand bei Rietz, das andre, unter Irac
Rlahon, bei Straßburg. Zu diesem gehörten auch die Turkos, mohammedanisch-arabische
Truppen, die aus Algier hergeholt worden waren. Napoleon hatte seiner Gemahlin, der
Kaiserin Eugenie, die Regierung übertragen und sich der Armee Bazaines angeschlossen.
c) Die Schlachten an der Grenze. Der Aufmarsch der französischen Truppen