1908 -
Bielefeld [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Kahnmeyer, Ludwig, Baade, Friedrich, Borchers, Emil, Gieseler, Albert
- Auflagennummer (WdK): 86
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
I
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Ix. Die Kirchenspaltung und der Dreißigjährige Krieg.
u Johann Hus. 1415.
1. Cebre. Johann Hus, ein Tscheche, war Prediger zu Prag und zugleich
Lehrer au der dortigen Hochschule. Durch seinen Freund Hieronymus lernte er
die Schrifteit des Engländers Wykliff kennen, die von der Lehre der Kirche ab-
wichen. Hus behauptete nun, einige Menschen seien zur Seligkeit, andere zur
Verdammnis bestimmt, und gegen diese höhere Bestimmung vermöchten sie nichts.
Sodann lehrte er, es gebe kein sichtbares Oberhaupt der Kirche. Besonders
eiferte er gegen die Lehre von der Ohrenbeichte, vom Fegefeuer und vom Ablaß.
Auch forderte er, daß man den Laien beim Abendmahle den Kelch reiche. Der
Papst verbot ihm das Predigen, tat ihn in den Bann und sprach über die Stadt
Prag, die es mit Hus hielt und die Ablaßbnlle unter dem Galgen verbrannt
hatte, den Kirchenbann aus. Während desselben blieben die Kirchen verschlossen,
die Glocken verstummten. Kein Geistlicher durfte den Toten zu Grabe folgen,
und die Taufen und Trauungen mußten ans dem Kirchhofe vollzogen werden. —
Zu der kirchlichen Bewegung kam noch eine nationale. Die deutschen Professoren
waren Hus' Gegner. Hus wußte den König von Böhmen zu einer Bedrückung
der deutschen Lehrer zu veranlassen. Darauf zogen diese mit ihren Studenten
aus und gründeten 1409 die Universität Leipzig.
2. Konzil zu Konstanz. Hus wurde wegen seiner Lehre vor das Konzil
zu Konstanz berufen. Der Kaiser gab ihm einen Geleitsbrief, worin er ihm
seinen besonderen Schutz zusagte. In Konstanz verlangte man von Hus, er solle
widerrufen. Er aber beharrte bei seiner Lehre und wurde deshalb für einen
Ketzer erklärt. Die Ketzerei sah man damals zugleich als ein Staatsverbrechen
an, ans dem die Todesstrafe stand. Auf einer Insel im Rhein wurde der
Scheiterhaufen errichtet. Ais die Flammen emporschlugen, sang Hus: „Christe,
du Lamm Gottes, erbarme dich mein!" bis der Ranch die Stimme des Sterbenden
erstickte. Seine Asche wurde in den Rhein gestreut. Ein Jahr darauf starb
auch sein Freund Hieronymus an derselben Stelle den Feuertod.
3. Hussitenkrieg. 1419—1435. Wilder Zorn ergriff die Böhmen bei
der Nachricht von dem Fenertode des Johann Hus. Ritter, Bauern, Hand-
werker scharten sich zusammen und forderten den Kelch beim Abendmahle zurück.
Zu ihrem Anführer wählten sie den wilden Ziska (d. h. der Einäugige). In
ihren Fahnen flatterte das Bild des Kelches, und dem Zuge voran ging ein
Priester mit dem Kelche in der Hand. 1419 drangen sie ins Prager Rathaus
und stürzten 13 Ratsherren zum Fenster hinaus, weil diese Befehle gegen ihre
Versammlungen erlassen hatten. Dann plünderten sie Kirchen und Klöster und
verübten furchtbare Grausamkeiten an den Katholiken. Den Kaiser Sigismund
wolltet! sie als König von Böhmen nicht anerkennen, weil er wortbrüchig ge-
worden sei. Er schickte mehrere Heere gegen sie, aber diese konnten nichts aus-
richten. Mit Sensen, Keulen, Dreschflegeln und Lanzen bewaffnet, durchzogen
die Hnssiten Böhmen, Bayern und Franken und verwüsteten alles Land rings-
umher. Später kam ein Vertrag zustande, wonach die Hnssiten Sigismund als König
anerkannten, während ihnen der Kelch beim Abendmahl zugestanden wurde.