1908 -
Bielefeld [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Kahnmeyer, Ludwig, Baade, Friedrich, Borchers, Emil, Gieseler, Albert
- Auflagennummer (WdK): 86
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
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der Westküste. Nach der nördlichen Lage des Landes müßte man ein kaltes
Klima erwarten. Infolge des warmen Golfstroms aber, der auch weit in die
Fjorde eindringt, bleibt die Küste selbst im Winter bis zum Nordkap eisfrei.
Der Sommer dagegen bringt so häufig Regen, daß die Stadt Bergen die regen-
Sörfjord. Zweig des über 100 km langen Hardangerfjord.
reichste Stadt Europas ist. Aus diesem Klima erklärt sich die große Fruchtbar-
keit der Westküste. In den geschützten Tälern gedeiht vorzügliches Obst, und
stellenweise findet man Kirschbäume, deren Stamm ein Mann kaum zu umspannen
vermag. Getreide wird sogar bis über den Polarkreis hinaus angebaut. An
den Ufern der Fjorde drängen sich die Bewohner dicht zusammen.
Da findet man langgestreckte Dörfer und selbst einige Städte, von denen Kerzen
(72 T.), wegen seines großartigen Fischhandels „das nordische Hamburg" genannt, und
vrontkeirn die bekanntesten sind.
Im hohen Norden liegt ksarnrnerkell (2 T.), die nördlichste Stadt der Erde. Im
Winter läßt sich die Sonne hier 10 Wochen lang gar nicht sehen, kaum, daß es um Mittag
etwas dämmert. Zwar wird diese endlose Nacht durch den Schnee, den Mond, die Sterne
und das Nordlicht etwas gemildert; dennoch muß im Dezember und Januar bei jeder
Arbeit in der Wohnung Licht gebrannt werden. Mitte Januar fängt es an zu dämmern,
und dann nimmt der Tag schnell zu. Im Hochsommer verschwindet die Sonne etwa
10 Wochen gar nicht vom Horizonte, sodaß man selbst um Mitternacht noch im Freien
lesen kann. — Die Stadt liegt auf einer öden Felseninsel. Nirgends grünt ein Baum,
oder Strauch. Die Häuser sind vielfach aus Holz erbaut. Die Bewohner nähren sich
meistens als Fischer. Man fängt hier wie an den südlicheren Teilen der norwegischen
Küste besonders viele Dorsche, deren Leber zu Lebertran verarbeitet wird. Vor der Stadt
sieht man große Gerüste, auf denen diese Fische getrocknet werden. Sie heißen, weil auf
Stöcken getrocknet, Stockfische. Auch der Walfischfang wird von hier aus stark betrieben.
Vor der Westküste liegen zahlreiche kahle Felseninseln, Schären genannt,
Reste des ehemaligen Küstenlandes. Hier sind die besten Fangplütze für Heringe,
Dorsche, Lachse und Schellfische, die in großen Scharen an die Inseln kommen,
um zu laichen. — Die Hauptstadt Norwegens ist Christiania (227 T.).