1895 -
Bielefeld [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Schulze, Hermann, Kahnmeyer, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 12
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Schülerbuch
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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In Ulm bestieg er den höchsten Kranz des über 100 m hohen Münsterturms und
stellte sich mit dem einen Fuß auf die schmale Eisenstange, woran die Feuerlaterne
hing, während er den andern Fuß übermütig in die Luft emporhob. Eine Messing-
tafel bezeichnet noch heute diese Stelle. Ohne Furcht ging er mit dem Speer zu
dem Bären und nahm den Kampf mit ihm auf. Am liebsten aber verfolgte er die
flüchtigen Gemsen und erkletterte dabei nicht selten die steilsten Felsen. (Martins-
wand.) Im Turnier war er Meister, und als einst in Worms ein prahlerischer
Franzose lange Zeit keinen Gegner finden konnte, war er der einzige, der den Kampf
mit ihm aufnahm und ihn nach kurzem Anlauf in den Saud warf. Mit Maximilian
schließt das Mittelalter; Pulver und Blei verdrängten Schild und Lanze; die Tur-
niere hörten auf; eine neue Zeit brach an. Er war der letzte Kaiser, der in den ritter-
lichen Künsten des Mittelalters erzogen war; daher sein Beiname „der letzte Ritter".
2. Die ersten Posten. In früheren Zeiten, als es noch keine Posten und Eisen-
bahnen gab, war das Reisen mit unzähligen Hindernissen verknüpft, und wer eine
größere Reise antrat, nahm nicht selten vorher das h. Abendmahl und machte sein
Testament. Schon der deutsche Ritterorden richtete im 14. Jahrhundert „Briefställe"
und „Reitposten" ein. Reitende Boten beförderten die Briefe von einer Handels-
stadt zur andern. Nach Orten aber, die nicht an der Landstraße lagen, konnte man
Briefe nur mit Gelegenheit oder durch eigene Boten senden. Pakete und Personen
wurden durch Lohnkutschen befördert. Da richtete Maximilian durch den Grafen von
Thurn und Taxis 1516 die erste regelmäßige Postverbiudung zwischen Wien und
Brüssel ein. Seinem Beispiele folgten bald andere Reichsläuder; aber erst in der
Mitte des 17. Jahrhunderts fing man an, auch Personen durch die Post zu befördern.
Doch war es lange Zeit ein gewagtes Unternehmen, seine gesunden Glieder dem
zerbrechlichen Postwagen anzuvertrauen, und die Fahrgäste der langsamen „Post-
schnecke" ahnten wohl noch nichts von der Großartigkeit und Schnelligkeit unseres
heutigen Postverkehrs, der, unterstützt durch Eisenbahnen und Telegraphen, einem
Sturmwinde gleich, sich um den ganzen Erdball bewegt.
3. Landfriede. Auf dem Reichstage zu Worms wurde 1495 der ewige Land-
friede gestiftet. Damit war der Fehdelust der Ritter ein Ende gemacht; denn Acht
und Bann drohten demjenigen, welcher auf eigene Faust auszog, seinen Feind zu be-
strafen. Zur Schlichtung aller Streitigkeiten wurde das Reichskammergericht ein-
gesetzt, das weder vom Kaiser noch von einem Landesherrn abhängig sein sollte. Alle
deutschen Laudstände freuten sich dieser Einrichtung, die Schweiz aber wollte sie nicht
anerkennen und riß sich 1499 ganz vom deutschen Reich los. —
4. Landsknechte. Um den Einfällen der Türken und Franzosen wehren zu
können, errichtete Maximilian ein Reichsheer. Dasselbe bestand aus Söldnern,
welche meistens aus dem Bauernstände hervorgegangen waren und den Namen
„Landsknechte" erhielten. Schon früher hatte mau — besonders in den Städten —
mit Söldnerscharen Kriege geführt; in der Regel aber hatten die Ritter den Kern des
Heeres gebildet. Als jedoch im Anfange des 14. Jahrhunderts das Pulver und damit
zugleich die Feuerwaffe immer mehr in Gebrauch kam, da traten an Stelle der Ritter
immer häufiger „geworbene" Kriegsleute, die das Geschäft rein handwerksmäßig be-
trieben und bald diesem, bald jenem Herrn dienten. Das waren die Söldner. Gegen
Zahlung eines „Handgeldes" traten sie in das Heer ein, beschworen die „Artikel"
und dienten ihrem Kriegsherrn auf eine bestimmte Zeit. Während dieser Zeit er-
hielten sie einen Sold, der nach unserm Gelde monatlich 20—24 Jé. betrug, doch
suchten sie sich durch Mord und Brand, Raub und Plünderung so viel als möglich
zu bereichern. Für Kleidung und Bewaffnung hatten sie selbst zu sorgen. Sie
kleideten sich ganz nach Belieben und trugen als Erkennungszeichen nur am Arm