1895 -
Bielefeld [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Schulze, Hermann, Kahnmeyer, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 12
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Schülerbuch
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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2. Zentralafien umfaßt das gewaltige Hochlmd von Hinterasien, das von dem
Himalaja, dem Altai, den chinesischen Alpen u. a. höhern Randgebirgen um-
geben ist. Anfolge seiner großen Regenarmut (wie erklärt sich dieselbe? S. 135) ist
das Innere vielfach dürr und zur Wüste geworden. So füllt die Wüste Gobi oder
Schamo fast die ganze Mongolei aus, die den nördlichen Teil des Hochlandes ein-
nimmt. Der südliche Teil des Hochlandes heißt Tibet, der westliche Ostturkestan
(oder die hohe Tatarei).
3. Das eigentliche China wird im Süden von den chinesischen Alpen, im Nor-
den von dem großen chinesischen Tieflande angefüllt, das vom Hoangho und
Jangtsekiang durchflossen wird. Der gelbe Lehmboden der Tiefebene ist von un-
erschöpflicher Fruchtbarkeit und hat daher eine ungemein dichte Bevölkerung hervor-
gerufen, besonders an den Mündungen der großen Flüsse. Daselbst ist eine Strecke
von mehr als 100 Meilen fast wie mit einer einzigen Stadt bedeckt. Hier sieht mau
selbst auf dem Wasser kleine Dörfer stromauf und stromab schwimmen. Jede Familie
hat einen kleinen Kahn zu ihrer Wohnstätte eingerichtet und zieht auf Flößen^einen
kleinen Garten hinter sich her. Hier im Tieflande liegen auch ^die größten Städte
Chinas, so die Hauptstadt Peking (N/2 M.), das durch seine Seiden- und Baum-
wollenwebereicn bekannte Nanking, sowie die Hafenstadt Shanghai. (Ausfuhr
von Seide und Thee.)
4. Erzeugnisse. Die übergroße Bevölkerung Chinas zwingt die Bewohner zur
denkbar größten Ausnutzung des Bodens. Jedes Fleckchen Crde wird sorgsam auge-
baut, und durch reichliche Düngung erzielt man 2—3 Ernten im Jahre. Bleibt aber
einmal der Sommerregen aus, dann entsteht (bei der starken Übervölkerung) sehr
große Hungersnot. Alljährlich wandern daher Tausende nach Amerika und Austra-
lien aus, um dort ihr Brot zu suchen. In der Ebene baut man viel Weizen und Reis.
Der auf den Bergen des Südens wachsende Maulbeerbaum hat eine so großartige
Zucht der Seidenraupe bewirkt, daß China mehr als die Hälfte aller Seide der Erde
hervorbringt. Auch Baumwolle und besonders Thee wird hier im Süden in großen
Mengen gebaut. China liefert ja nicht nur den besten, sondern auch den meisten Thee
und zwar dreimal so viel als alle übrigen Theeländer der Erde zusammen. Der
Haupihandelsplatz für Thee ist die Hafenstadt Kanton (1v2 M.), wo alljährlich
für mehr als 50 Millionen Mark Thee zu Schiffe verladen wird. Südöstlich von
Kanton liegt die von den Engländern besetzte Felseninsel Honkong mit Victoria
(150 T.)
5. Die Chinesen gehören der mongolischen Raffe an. Die Männer haben durch
die hervorstehenden Backenknochen ein fast eckiges Gesicht erhalten, das der Frauen
ist dagegen auffallend rund. Die Augen sind tief geschlitzt; die Nase ist eingedrückt
und sehr klein. Das Haar wird bis auf einen Büschel ganz und gar abgeschoren,
dieser Büschel aber zu einem meterlangen Zopfe geflochten, auf deu jeder Chinese über-
aus stolz ist. — Der Chinese ist sehr arbeitsam, dabei im Essen und Trinken äußerst
mäßig. In Porzellan, Lackarbeiten und Schnitzereien leistet er ganz Vorzügliches,
und Pulver, Kompaß und Buchdruckerkunst waren dem Chinesen früher bekannt als
dem Europäer. Aber der Chinese bleibt beim alten stehen und schreitet mit der Zeit
nicht vorwärts. Sogar die 1876 erbaute erste Eisenbahn lag lange Zeit unbenutzt
da, weil man fürchtete, durch das Geräusch derselben die Ruhe der Toten zu stören.
In neuester Zeit scheint man jedoch von diesem Glauben zurückgekommen zu sein;
denn es sind bereits mehrere Bahnen im Bau begriffen. — Die Religion der Chi-
nesen ist ein grober Götzendienst. In prachtvollen Tempeln verehrt das Volk fratzen-
hafte Götzen, deren Gunst es^ durch Opfer zu erlangen sucht. In jedem Hause be-
findet sich ein Götze, dem die Hausgenossen täglich ihr Anliegen im Gebete vortragen,
den sie aber auch züchtigen, wenn er ihren Wunsch nicht erfüllt. Seit vielen Jahren
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