1895 -
Bielefeld [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Schulze, Hermann, Kahnmeyer, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 12
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Schülerbuch
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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Xv. Der Iteinkohlenwald.
114. Die Steinkohle.
1. Entstehung. Die Steinkohle kommt in der Erde stets in Schichten („Flötzen")
vor. Unter der Steinkohlenschicht findet sich eine Lehmschicht, über derselben,, eine
Schieferthon- oder Sandsteinschicht. In letztere ragen häufig dunkle Stümpfe (Über-
reste von Baumstämmen) hinein. In der Lehmschicht bemerkt man dagegen nicht
selten dunkle, verzweigte Streifen (Baumwurzeln). In der Regel lausen mehrere
solcher Kohlenschichten (30—40, ja selbst 120) gleichlaufend über einander her. Man
hat daraus nun folgenden Schluß gezogen: Der Lehm war einst Sumpfland, in
welchem die Bäume wurzelten, die Kohlenschicht aber bildete einen Wald. Allmählich
sank der Sumpf. Es strömten Gewässer auf ihn ein, und so wurden die Bäume
unter Sand und Schlamm vergraben und verkohlten im Laufe der Zeit (S. Torf S.
262). Auf der Sand- und Schlammmasse aber wuchs eine neue Pflanzenwelt empor,
die abermals verschüttet wurde, und da dies sich öfter wiederholte, so erklären sich
daraus die zahlreichen übereinander lagernden Kohlenschichten. Aus den verkohlten
Baumstümpfen kann man auch noch erkennen, was für Wälder einst die Erde be-
deckten. Die Wälder bestanden damals besonders aus Farnkräutern, Bärlappgewäch-
sen und Kalmusstengeln, die zu baumhohen Stämmen heranwuchsen. Der Schuppen-
baum erreichte sogar eine Höhe von 30—35 m. In der Grafschaft Glatz hat man
einen verkohlten Baum von 5 m Umfang gefunden, und im botanischen Garten zu
Breslau zeigt man sogar einen solchen, dessen Umfang mehr als das Doppelte davon
beträgt.
2. Gewinnung. Steinkohlenlager finden sich in der Rheinprovinz, in Westfalen,
in Schlesien, Böhmen, Sachsen und besonders in England. Die Kohlen liegen ge-
wöhnlich sehr tief unter der Erde. Auf dem europäischen Festlande ist das Saar-
brücker Steinkohlenlager das größte. Es ist 70 ton lang, stellenweise 15 km breit
und 2 —3 Vs km dick. Das größte Kohlenbergwerk der Welt ist bei Newcastle in Eng-
land. Dasselbe beschäftigt 60000 Menschen und mehr als 30oo Schiffe. Es erstreckt
sich wohl 15 ton weit unter das Meer hin, so daß selbst Kriegsschiffe über den Köpfen
der Arbeiter hinwegsegeln. — Das in den Bergwerken sich sammelnde Wasser wird
durch Maschinen abgeleitet; aber mehr als das Wasser hat der Bergmann die „schla-
genden Wetter" zu fürchten. Das sind Gase, die sich leicht entzünden und dann
furchtbare Verheerungen anrichten. Zur Entfernung dieser Gase sind in jedem Berg-
werk mehrere Luftzüge (Ventilatoren) angebracht, und damit sich die Gase nicht ent-
zünden, müssen die Grubenlichter der Arbeiter mit einem Drahtnetze versehen sein.
Dennoch kommen oft furchtbare Unglücksfälle vor, so 1869 im Plauenschen Grunde
bei Dresden, wo 275 Arbeiter an einem Tage ums Leben kamen.
3. Verwertung. Gas. Die Steinkohle dient in erster Reihe zur Heizung. Sie
brennt sehr gut und giebt dreimal so viel Hitze als eine gleich große Menge des besten
Buchenholzes. Die feste Glanzkohle, die besonders in England gefunden wird, ist so
hart, daß man sie schleifen und polieren kann. Sie wird daher zu Knöpfen, Uhrketten
und vielen andern Schmucksachen verarbeitet. — Besonders wertvoll sind die Kohlen
auch dadurch geworden, daß wir aus ihnen das Gas, mit dem wir des Abends Zim-
mer und Straßen erhellen, gewinnen können. Dazu hat man Öfen, in denen 6—
12 m lange Thonröhren liegen, deren jede etwa 100 kg Kohlen fassen kann. Nach-
dem man die Röhren fest verschlossen hat, wird der Ofen tüchtig geheizt. Nun ent-
wickeln sich aus den Kohlen Dämpfe und Gase, die durch Röhren, welche mit Wasser
gefüllt sind, in einen größern, kühlen Raum (Condensator) geleitet werden. Hier ver-
dichten sich die Dämpfe zu Teer und Wasser; die Gase aber werden durch Röhren