1907 -
Leipzig [u.a.]
: Teubner
- Hrsg.: Franke, Max, Schmeil, Otto
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Simultanschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Simultanschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
I
Geschichte.
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hausten die Ungarn. Sie hatten die Ostmark des Reiches'besetzt und unternahmen
auf ihren flinken Rossen, die durch lederne Panzer geschützt waren, große Raubzüge
bis an den Rhein und den harz.
Überfall und Hinterhalt, verstellte Flucht mit darauf folgendem plötzlichen Angriffe liebten
die Ungarn mehr als offenen Uampf. Sie waren vorzügliche Bogenschützen, die vom Rosse
herab ihre Pfeile versendeten, doch führten sie auch Schwert und Wurfspieß. Bei ihren Einfällen
verwüsteten sie die Felder, trieben das Vieh mit sich fort und raubten die Frauen. Brennende
Dörfer bezeichneten ihren Weg. Nur durch schnelle Flucht in dichte Wälder oder auf Berges--
höhen konnten sich die Bewohner vor ihnen retten.
Vas Ansehen des Raffers, der die Übertreter der Gesetze nicht strafte und das Land
vor äußeren Feinden nicht schützen konnte, sank immer mehr. Der letzte Rarolinger in
Deutschland, Ludwig das Rind, starb, ehe er zum Manne herangewachsen war(9ll).
2. Heinrichs Wahl. Ein verwandter des karolingischen Hauses, der Franken-
herzog Ronrad, wurde nach dem Tode Ludwigs zum Raiser gewählt, von dieser
Zeit an bis zum Jahre l806 ist das deutsche Reich ein ,,Wahlreich" ge-
blieben. Ronrad bemühte sich vergebens, die trotzigen herzöge zum Gehorsam zu
zwingen. Besonders der mächtige Herzog Heinrich von Sachsen, der zugleich Herr über
Thüringen war, wollte sich ihm nicht unterordnen. Als Ronrad nach kaum achtjähriger
Regierung starb, übergab er seinem Bruder Eberhard die Rrönungskleinodien (Rrone,
Schwert und goldene Mantelspangen) und befahl ihm, sie seinem Gegner, dem Herzog
Heinrich, zu überbringen; denn, so sagte er: „Die Zukunft des Reiches steht bei den Sachsen".
Eberhard führte den Auftrag seines Bruders aus, obgleich er selbst gern Rönig ge-
worden wäre. Rach Ronrads Tode wählten die Sachsen und Franken Heinrich zu ihrem
Herrscher. Die Großen der drei andern Herzogtümer blieben der Wahl fern. Heinrich nahm
die Rrone an und nannte sich „Rönig von Gottes Gnaden". Eine Sage erzählt, daß
die Boten, die Heinrich von seiner Erhebung zum deutschen Röntge benachrichtigen
sollten, ihn am harze beim Vogelfänge angetroffen hätten (Gedicht: Heinrich der
Vogelsteller).
3. Heinrich und die herzöge. Mehr durch Rlugheit und Überredung als durch
Waffengewalt bewog Heinrich die herzöge von Schwaben und Bayern, ihn als
Lehnsherrn und Rönig anzuerkennen. Lothringen gewann er nach einigen Jahren dem
Reiche wieder zurück. Dem jungen Herzog von Lothringen gab er eine seiner Töchter
zur Frau, um ihn näher an sich zu fesseln. Obgleich die französischen Röntge immer
wieder versuchten, Lothringen mit ihrem Lande zu vereinigen, ist es bis 1766 beim
deutschen Reiche geblieben (S. 87). —- Heinrich mußte jedoch den herzögen viele
Freiheiten lassen, so daß sie in ihren Landen fast unabhängig waren; nur zum Heeres-
dienste und zum Besuch der Reichstage waren sie verpflichtet. Der Herzog von Bayern
ernannte sogar die Bischöfe in seinem Lande selbst.
4. Heinrich schasst feste Zufluchtsorte und ein Reiterheer. Als Heinrich
fünf Jahre regiert hatte, fielen die Ungarn wieder in das Reich ein. Der Rönig, der zu
dieser Zeit gerade von einer Rrankheit heimgesucht wurde, mußte in eine feste Burg
bei Goslar flüchten und mit ihnen unterhandeln. Dadurch, daß er einen zufällig ge-
fangenen Ungarnfürsten nicht freigab, erlangte er einen 9 jährigen Waffenstillstand,
mußte aber jährlich eine hohe Abgabe (Tribut) au seine Feinde zahlen. Dieser Waffenstill-
stand galt jedoch nicht für das ganze Reich, sondern nur für Heinrichs eigenes Herzogtum.
Die gewährte Zeit benutzte Heinrich, um Sachsen und Thüringen gegen die Einfälle der