1907 -
Leipzig [u.a.]
: Teubner
- Hrsg.: Franke, Max, Schmeil, Otto
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Simultanschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Simultanschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
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Geschichte.
I
Schild oder Harnisch trafen, splitterten von dem gewaltigen Rnpralle oft die Lanzen-
schäfte in Stücke, und die Pferde brachen nicht selten zusammen. Der Zieger erhielt
kniend von der vornehmsten Frau den „Dank", der in einer goldenen Kette, einem Ringe
oder Becher und in einem Kranze bestand, wenn man bei den Turnieren auch nur
stumpfe Waffen gebrauchte, so ereigneten sich dabei doch viele Unfälle. Die Kirche
verbot darum mehrmals die Teilnahme an ihnen, konnte sie aber nicht verhindern.
6. Bedeutung und verfall. Ruf dem Ritterstande ruhte das ganze Heer-
wesen der damaligen Seit; auch viele hohe Staatsämter, die früher die Geistlichen
innehatten, wurden von Rittern verwaltet. Da die Ritter aber mit der lateinischen
Sprache nicht gut Bescheid wußten, fing man in dieser Zeit an, wichtige Urkunden
in deutscher Sprache abzufassen. Ruch die Dichtkunst ging von den Mönchen aus die
Ritter über und wurde von ihnen zu hoher Blüte gebracht. Rn dem Hofe des Land-
grafen zu Thüringen fand um das Jahr 1200 der berühmte Sängerkrieg (Wettstreit)
auf der Wartburg statt. Da die ritterlichen Dichter in ihren Liedern meist die Frauen-
liebe, die „Minne", verherrlichten, nannte man sie Minnesänger. Die bekanntesten waren
Walter von der vogelweide und Wolfram von T schenk ach. Rus jener Zeit stammen
auch die großen deutschen Volksheldenlieder, das Nibelungen- und das Gudrunlied.
Durch die hohen Kosten, die infolge der Kriegszüge entstanden, durch Erbteilung und
ungebundene Lebensweise gerieten viele Ritter in Rrmut. Die Sucht, sich zu bereichern,
und die Lust am Kampfe führte zu zahllosen Fehden der Ritter untereinander oder
mit den Städten. Da man die feste Burg des Gegners nicht erobern konnte, plünderte
man seine Dörfer. Dem Bauer wurde Haus und Hof zerstört und das Vieh geraubt;
er mußte froh sein, wenn er das Leben behielt. Bauern „auspochen", Kaufleute über-
fallen und reiche Klöster plündern, galt nicht mehr als Schande; Straßenraub wurde
ein adlig Handwerk („Raubritter"). Die Kaiser waren meist zu schwach, diesen Gewalt-
taten zu steuern. So trat an Stelle der Zucht und edlen Sitte bei den Rittern Verrohung.
Rn den Fürstenhösen wurden Dichtkunst und Musik von den derben Späßen der Hof-
narren verdrängt.
3. Der Bauernstand.
1. Entstehung und Blütezeit. In derselben Zeit, in der ein neuer Rdel ent-
stand, entwickelte sich aus unfreien oder hörigen Leuten, die von ihren Herren Land
zur Bewirtschaftung erhielten, sowie aus Freien, die ihre kleinen Ländereien unter dem
Schutze eines mächtigeren Herrn gegen Rbgabe eines Zinses bebauten, der Bauernstand.
Das Bauernhaus war ein einfacher, mit Stroh oder Schindeln gedeckter holz- oder
Fachwerkbau. Oft wohnte das Vieh mit den Menschen unter demselben Dache. Ein
schwerer Tisch, einige Bänke, Schemel und Truhen bildeten den Hausrat; der Ofen
war aus Steinen und Lehm ausgemauert. Die Kleidung des Bauern bestand aus Hosen
von derbem Lodenstoff oder grober Leinwand und einem grauen Kittel. Im 12. und
13. Jahrhundert gelangte der Bauernstand zu Blüte und Wohlstand. Da jeder
Bauer, der an einem Kreuzzuge teilnahm, frei wurde, nahm die Zahl der Leibeigenen
sehr ab; viele jüngere Leute wanderten in die Slawenländer östlich der Elbe, andre
gingen in die Städte, wo sie sich hinter dem pfahlwerk der Befestigung (S. 30) nieder-
lassen durften, wurden sie nicht von ihren Herren gesunden und zurückgefordert, so
waren sie nach Jahr und Tag frei („Pfahlbürger"). Infolgedessen bestand auf dem
Lande Mangel an Rrbeitskrästen. Die Grundherren gaben daher den Bauern, um sie
festzuhalten, die Zinsgüter in erbliche Pacht. Ruch war es für den Bauer günstig, daß