1907 -
Leipzig [u.a.]
: Teubner
- Hrsg.: Franke, Max, Schmeil, Otto
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Simultanschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Simultanschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
I
Geschichte.
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die abgaben, die früher in Getreide und Vieh geleistet wurden, mit Geld bezahlt werden
dursten; denn auf den Märkten der Städte erhielt er viel mehr Geld für seine Er-
zeugnisse als früher. Die arbeiten für die Gutsherrschaft, die „Fronden", waren gering
und erstreckten sich manchmal nur auf Instandhaltung der Wege und Drücken, an
den zahlreichen kirchlichen Festen herrschte frohes Leben in den Dörfern, und die
jungen Leute tanzten fröhlich unter der vorflinde. Die Dleidung der Dauern wurde
reicher, und mehrfach mußte ihnen das Tragen ritterlicher Waffen verboten werden.
2. Niedergang, vom l4. Jahrhundert an, als die Dreuzzüge aufgehört hatten
und die Besiedelung der östlichen Länder zum Stillstand gekommen war, reichte das
ackerland für die wachsende Bevölkerung nicht mehr aus. Durch Erbteilungen wurden
die Zinsgüter so klein, daß sie für die Ernährung einer Familie nicht mehr genügten.
Der Bauer wurde daher vielfach wieder zum hosarbeiter. Der ärmer und roher
werdende Ddel vermehrte die
abgaben und Fronden will-
kürlich und nahm nicht selten
die Zinsgüter unter nich-
tigen Vorwänden ganz an
sich („Bauernlegen"). Buch
an die Dirche und den
Landesherrn hatte der Bauer
schwere abgaben zu entrich-
ten. Er wurde zu den Jagden
seines Herrn als Treiber
aufgeboten und mußte die
Hunde unterhalten; wenn
aber das wild feine mühsam
bestellten äcker verwüstete,
durste er es bei schweren
Strafen nicht töten. Damit
der Bauer jedoch sein Land
nicht verlassen sollte, unter-
sagte man den Städten,
freilich nur selten.
3. Die freien Dauern. 3n den Bergen der Schweiz, an der Nordsee bei den Friesen und
in Westfalen hatten sich freie Bauern erhalten. Sie saßen noch auf eigenem Besitz und hatten
Wald und Wild, Wasser und Weide gemeinsam. Sie duldeten keinen Herrn über sich und
leisteten niemandem Fronden und abgaben. Mehrmals versuchten benachbarte mächtige
Fürsten, sie zinsbar zu machen; aber sie verteidigten tapfer ihre alte Freiheit und schlugen die
Ritterheere, die gegen sie ausgesandt wurden.
Bäuerin und Bauer (um 1500) nach a. Dürer.
Pfahlbürger aufzunehmen. Befolgt wurde das verbot
4. Die heilige Feme. Während sonst überall im Deiche im Namen der welt-
lichen und geistlichen Fürsten Recht gesprochen wurde, erhielten sich unter den freien
Bauern Westfalens die uralten königlichen Volksgerichte, die auf der früheren Gau-
einteilung beruhten (vgl. 5. 18 u. 24), Da es ein allgemeines deutsches Gericht, vor
dem auch die vornehmsten erscheinen mußten, nicht gab und im Deiche Ordnung und
Sicherheit immer mehr schwanden, dehnte dieses Freigericht seine Wirksamkeit nach und
nach über ganz Deutschland aus. Man nannte es die „heilige Feme". Freischöffe