1907 -
Leipzig [u.a.]
: Teubner
- Hrsg.: Franke, Max, Schmeil, Otto
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Simultanschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Simultanschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
50
Geschichte.
I
lichtscheue Gesellen machten sie nicht selten unsicher. Die Juden waren nicht nur
von der vornehmen Kaufmannsgilde, sondern auch von den Zünften ausgeschlossen. Sie
mußten einen gelben Tuchstreifen am Rocke, sowie einen hohen Spitzhut tragen und wohnten
in der Judengasse, die abends und Sonntags durch besondere Tore abgeschlossen wurde.
3. Befestigung und Verteidigung. Zuerst waren die Städte nur durch Erd-
wälle mit davorliegendem psahlwerk geschützt; vom Ende des 12. Jahrhunderts an
aber umgab man sie mit hohen Steinmauern, in die zahlreiche vorspringende Türme
eingebaut waren. Um den Mauerring zog man tiefe Gräben und legte Schleusen
an, durch die man das Vorland unter Wasser setzen konnte. Die Tore waren eng und
durch starke Vorbauten besonders geschützt. Jeder hereinkommende Fremde wurde durch
den Torwächter nach Ziel und Zweck seines Weges befragt. Ruf dem höchsten Turme
der Stadt hielt ein Wächter Umschau und meldete herannahende Rriegsscharen, sowie
etwa ausgebrochenes Feuer durch Glockenzeichen. Jeder Bürger war zur Verteidigung
der Stadt verpflichtet. Die Geschlechter erschienen zu Roß und in voller wasfen-
rüstung, die Pfahlbürger mit einfachem Spieße. Die Handwerker, die nach Zünften
geordnet unter ihren Obermeistern zum Rampfe auszogen, benutzten neben dem
Schwerte mit Vorliebe die Rrmbrust. Sie übten sich fleißig im Gebrauch dieser Waffe
und setzten für die besten Schützen wertvolle Preise aus. Größere Städte hielten
besoldete Stadtknechte, die den Warenzügen der Raufleute das Geleite geben mußten;
sie nahmen auch wohl benachbarte Ritter in ihren Sold. Die Städte hielten treu
zu dem Raiser. Es lag ihnen daran, daß ein mächtiger Herrscher für Ordnung und Sicher-
heit im Reiche sorgte, damit ihre Frachtwagen und Lastschiffe unbelästigt fahren konnten.
4. Die Hansa. Selbst wohlhabende und mächtige Städte waren jedoch allein oft
zu schwach, um sich und ihren Handel vor übermütigen oder raublustigen Fürsten und
Rittern zu schützen. Der Raiser war häufig weit entfernt und konnte nicht helfen,
selbst wenn er wollte. Da schlossen sich viele Städte zusammen und unterhielten
gemeinsam Rriegsvolk, das ihre wagen und Schiffe zum Schutze gegen Raubritter
und feindliche Fürsten geleitete. Der größte Städtebund war die Hansa. Zu ihrer
Blütezeit gehörten ihr über loo Städte an, darunter Eöln, Hamburg, Bremen und
viele andre. Lübeck war hauptort. Die Hansa trieb einen umfangreichen Handel
mit England, Dänemark, Norwegen, Schweden und Rußland. Sie hatte ihre be-
sonderen handelshöfe in London, Bergen, Nischni Nowgorod und in andern Orten.
Die Hauptgegenstände des Seehandels waren Getreide, Heringe, Stockfische, Eisen,
holz und Felle. Um die Frachtschiffe, die „Handelskoggen", gegen Seeräuber zu
beschützen, rüstete die Hansa Rriegsschifse aus. Sie beherrschte Nord- und Ostsee, und
die nordischen Rönige mußten sich sogar vor ihr beugen. Ihre höchste Blüte fiel
in die zweite Hälfte des l4. Jahrhunderts; im l6. Jahrhundert geriet sie allmählich
in verfall. — Die Städte Hamburg, Bremen und Lübeck erneuerten später ihren
alten Bund und nennen sich bis auf den heutigen Tag „Freie und Hansastädte".
Iii. Mittelalterliches Leben.
l. Gewerbe und Handel. Handwerker gab es in Deutschland zuerst an den
großen Herrenhosen, und zwar waren es meist Schmiede und Stellmacher. Nls feit
dem 9. Jahrhundert regelmäßig wiederkehrende Märkte („Messen" S. 20,3) Gelegenheit
zum Verkaufe boten, singen die Handwerker auf dem Lande an, auch auf Vorrat zu
arbeiten. Um den Märkten nahe zu sein, siedelten sie sich vielfach in den entstehenden