1907 -
Leipzig [u.a.]
: Teubner
- Hrsg.: Franke, Max, Schmeil, Otto
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Simultanschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Simultanschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
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Geschichte.
I
heiraten wollten, erst die Erlaubnis des Gutsherrn. Um dem Lauer Liebe zur heimatlichen
Erde einzupflanzen, hob Freiherr von Stein die Erbuntertänigkeit auf. Da-
durch machte er den Lauer zu einem freien Guts-
besitzer, der mittust auf seinem Lande tätig war und
durch Urbeit nunmehr vorwärts kommen konnte.
Uuch dem Handel oder dem Handwerke durfte er
sich zuwenden. — Für den Lürgerstand wurde
die ,,Städteordnung“ gegeben. Lisher waren
die Lürgermeister vom Könige ernannt worden, ohne
daß man die Bewohner der Städte dabei fragte. Um
liebsten nahm man ausgediente Offiziere, die aber
für die Bedürfnisse und Wünsche der Einwohner oft
wenig Verständnis besaßen, von nun an wählten die
Bürger Männer aus ihrer Mitte zu Stadtverordneten,
und diese wählten die Mitglieder der ausführenden
Obrigkeit, des Magistrats. Sie berieten selbst über die
Einrichtungen ihrer Stadt und führten ihre Beschlüsse
auch selbständig aus; die Legierung behielt nur die
Oberaufsicht. Durch die Städteordnung wurde bei
der städtischen Bevölkerung Teilnahme für die An-
gelegenheiten von Stadt und Staat geweckt. — Bisher war in jedem Handwerke nur eine
bestimmte Zahl von Meistern zugelassen. Dieser Zunftzwang wurde abgeschafft, und
jeder tüchtige Mann konnte von nun an selbständig sein Handwerk betreiben. Mit dieser
„Gewerbesreiheit" wurde der Grund für das Uufblühen der Industrie gelegt. Luch
Grundbesitz konnte der Bürger von jetzt an erwerben; die Rittergüter blieben nicht mehr
dem Udel vorbehalten. Der Edelmann anderseits durfte ungehindert Handel und Gewerbe
treiben. Uuf diese Weise wurden die Schranken zwischen den Gliedern des Volkes weg-
geschafft und alle Stände in den Dienst der Gesamtheit gestellt. — Durch verkauf von
Staatsländereien und durch äußerste Sparsamkeit gelang es dem Freiherrn von Stein, fast
die ganze Kriegsschuld abzutragen, so daß Napoleon nach zwei Jahren den größten
Teil seiner Truppen aus Preußen zurückziehen mußte.
Das Heerwesen wurde durch General von Scharnhorst umgestaltet. Er
war eines Bauern Sohn und hatte es durch außergewöhnliche Tüchtigkeit zu seiner
hohen Stellung gebracht. Die Soldaten wurden nicht mehr wie bisher angeworben,
sondern jeder gesunde Preuße war wehrpflichtig. Nicht eine Strafe, sondern eine Ehre
war es von nun an, des Königs Nock zu tragen. Die Prügelstrafe wurde abgeschafft und
die Kleidung der Soldaten zweckmäßiger eingerichtet. Die ,,allgemeine Wehrpflicht"
konnte allerdings erst später völlig durchgeführt werden, da Preußen nur 42 000 Mann
unter Waffen halten durste. Um jedoch eine größere Zahl kriegstüchtiger Männer zur
Verfügung zu haben, entließ Scharnhorst von jeder Kompanie monatlich 5 — 6 Mann
und stellte dafür wieder Nekruten ein. Die Gsfizierstellen wurden jedem zugänglich ge-
macht, der sich im Frieden durch Bildung, im Kriege durch Tapferkeit auszeichnete.
In geistiger Hinsicht bereitete sich ebenfalls eine Erneuerung im Volke vor.
Einsichtsvolle Männer, wie der Professor Fichte, der Prediger Schleiermacher,
der Dichter Urndt ermahnten in eindringlichen Worten die deutsche Jugend, die
Selbstsucht abzulegen und für das Vaterland Opfer zu bringen. Der Gymnasiallehrer
Freiherr von Stein.