1907 -
Leipzig [u.a.]
: Teubner
- Hrsg.: Franke, Max, Schmeil, Otto
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Simultanschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Simultanschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
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Geschichte.
I
10. Napoleon; Zug nach Rußland. Rlexander I. Von Rußland hatte die
Kontinentalsperre gegen England nicht aufrechterhalten und dadurch Napoleons Zorn
erregt. Vieser beschloß daher, auch Rußland zu unterwerfen. Im Frühjahr 1812 setzte
sich ein ungeheures Heer (300 000 Franzosen, 200000 Rheinbundstruppen, 100 000
Italiener, Polen u. a.) gegen Rußland in Bewegung. Österreich mußte 30 000 Mann
Hilfstruppen stellen, und Friedrich Wilhelm wurde gezwungen, die Hälfte seines Heeres
mit gegen Rußland ins Feld zu senden. „Die große Rrmee" zog durch Preußen, und
wiederum wurden dem verarmten Lande große Lieferungen an Lebensmitteln, Pferden usw.
auferlegt. Rn der russischen Grenze hielt Napoleon Musterung über das Heer, von
jeder Rbteilung mit dem donnernden Rufe: „Es lebe der Kaiser!" begrüßt. Nur eine
Truppe erwartete ihn schweigend und stolz: die Preußen unter General Port. — Die
russische Rrmee wurde in zwei mörderischen Lchlachten besiegt und ging immer tiefer
in das Innere des großen Reiches zurück. Bald zog Napoleon in Moskau, der alten
Hauptstadt Rußlands, ein, wo sein Heer nach den langen Märschen während des winters
Erholung zu finden hoffte. Rber die Franzosen fanden die Ltadt von der Bevölkerung
verlassen. Damit sie nicht in Moskau überwintern konnten, wurde die Ltadt wenige
Tage später von den Russen angezündet und ging mit allen Vorräten in Flammen
auf. Napoleon, der vergeblich versucht hatte, mit Rlexander I. wegen des Friedens
zu verhandeln, mußte den Rückzug befehlen. Da das Land bei dem ersten Durch-
märsche schon ausgesogen war, litt das Heer große Not. Das Fleisch gefallener
Pferde wurde ein gesuchter Leckerbissen. Bald gesellte sich zu dem Hunger ein noch
grimmigerer Feind: der russische Winter. Durch Mangel an Nahrung und Kälte
gingen viele Tausende von Kriegern elend zugrunde. Dazu wurde das zurückziehende
Heer unaufhörlich von Lcharen russischer Reiter beunruhigt, so daß sich jede Ordnung
löste, von der stolzen Rrmee erreichten noch ungefähr 30 000 Mann die preußische
Grenze, ein Haufe von zerlumpten, völlig entkräfteten Bettlern. Napoleon war den
Trümmern seines Heeres in einem Zchlitten vorausgeeilt, um in Frankreich und in
den Rheinbundstaaten neue Rüstungen anzuordnen. — Nls der Untergang der großen
Rrmee in Preußen bekannt wurde, beherrschte der Gedanke: „Das sind Gottes Gerichte!"
alle volkskreise.
11. Die Befreiungskriege, a) Der vertrag von Tauroggen. Die preu-
ßischen Truppen unter Port, die in den russischen Ostseeprovinzen gefochten hatten,
waren dem schrecklichen Lose der großen Rrmee entgangen. Port glaubte jetzt die Zeit für
Preußens Befreiung gekommen. Daher schloß er am Ende des Jahres 1812 in Tauroggen
eigenmächtig mit den Russen einen vertrag, nach dem seine Truppen nicht mehr für
Frankreich fechten sollten. Die Provinz Ostpreußen begann unter seiner Leitung gewaltig
gegen Napoleon zu rüsten. Friedrich Wilhelm 111., der sich in Berlin im Bereiche der
Franzosen befand, mißbilligte öffentlich Parks kühnen Zchritt, wenn er auch im Herzen
seinem Generale zustimmte. Dank seinem vorsichtigen Verhalten konnte er sich un-
gehindert nach Breslau begeben, wo er Herr seiner Entschließungen war.
b) Preußens Erhebung. Unter Zcharnhorsts Leitung wurde eifrig zum Kriege
gerüstet. Um 3. Februar 1813 erließ der König den ..Rufruf zur Bildung freiwilliger
Fägerkorps", in die junge Männer eintraten, die selbst für ihre Rusrüstung sorgen
konnten. Ruch Freikorps bildeten sich, unter denen das des Majors von Lützow das
berühmteste wurde (Gedicht: Lützows wilde Jagd). In ihm dienten der Turnvater Zahn
und der Freiheitsdichter Theodor Körner, der noch in demselben Fahre den Heldentod starb